Der bevölkerungsmässig zweitgrösste Staat Südamerikas stimmt am 19. Juni in einer Stichwahl über seine Zukunft ab. Für Kolumbien wird es eine der spannendsten Wahlen seit Jahrzehnten: nicht nur wegen der möglicherweise historischen Neuausrichtung des Landes (mit Umberto Petro könnte zum ersten Mal ein Vertreter der Linken in die Casa de Nariño, den Präsidentenpalast einziehen), sondern auch wegen den zwei Kandidaten, die beide durch den jahrzehntelangen Bürgerkrieg geprägt wurden: So verlor der überraschende zweitplatzierte Rodolfo Hernandez (er überholte auf den letzten Metern den Ex-Bürgermeister von Medellin Federico Gutierrez) seine Tochter bei einer Entführung durch die linke Guerilla ELN.
Der Favorit der Linken Gustavo Petro war dagegen selbst Mitglied einer linken Stadtguerilla, der M-19. Diese schmerzvolle Zeit hat Kolumbien in der letzten Zeit glücklicherweise hinter sich gelassen und so entdecken immer mehr Touristen die Herzlichkeit, einzigartige Vielfältigkeit der Kultur, Natur und der vielfältigen Kulinarik Kolumbiens für sich: Unsere vier europäischen Jahreszeiten könnte man zum Beispiel in Kolumbien an einem einzigen Tag erleben, würde man es von Norden nach Süden durchqueren.
Um die unterschiedlichen Gesichter des Landes kennenzulernen, braucht man viel Zeit. Zu viel Zeit für eine einzige Reise. Als erste Annäherung an die pralle landschaftliche Bandbreite und den Charme des zweitgrößten südamerikanischen Landes (rund 51 Millionen Einwohner) nehme ich mir daher zuerst zwei Regionen vor, die für mich auch zu den schönsten Kolumbiens gehören: die Hafenstadt Cartagena im karibischen Teil und die „Zona Cafetera“, die Kaffeezone im hügeligen Bergland zwischen Medellin und Bogota. Cartagena ist pure karibische Lebensfreude, die einen kaum schlafen lässt.
Die Kaffeezone bietet Entschleunigung und Herzlichkeit für Leib und Seele. Saftiges Grün, weitläufige Hänge und kleine Bergdörfchen ziehen unten vorbei, bevor das Flugzeug in Pereira zur Landung aufsetzt. Die Stadt mit rund 480 000 Einwohnern liegt direkt im Herzen der Kaffeezone. Mich zog es schon am ersten Tag aus der Stadt hinaus in die satte Landschaft, die mich bereits aus dem Flugzeug so faszinierte und wie ein welliges, riesiges grünes Meer aussah.
Im Umland von Pereira liegen unzählige kleine Kaffee-Fincas, eingebettet in die Bergtäler oder sie thronen über ihnen. Sie sind ein Tor in das Reich, das die besten Kaffeebohnen der Welt hervorbringt. Bei einem Besuch auf einer der Plantagen bekommt man Verständnis für die Komplexität von Spitzenkaffee – vom Pflücken bis zum Rösten. Viele der Kaffee-Fincas bieten auch Übernachtungsmöglichkeiten an. Oder man steigt in einem der günstigen Landhaushotels entlang der Städte-Achse Manizales-Pereira-Armenia ab. Von hier lassen sich prima Tagesausflüge in die umliegenden Ortschaften unternehmen: Die auf 1700 Metern gelegene Stadt Santa Rosa de Cabal ist ein Geschenk an Freundlichkeit, Entspanntheit und kulinarischer Aufregung: Die alte Markthalle, die noch aus der Gründungszeit Kolumbiens stammt, ist für mich das eigentliche Zentrum.
Hier trifft man sich zwischen Ständen tropischer Früchte, Heilkräutern aus den Bergen und urigen Lokalen mit Spezialitäten wie Arepas de Choclo, Papas Criolla, Chicharrones oder fantastische Suppen zur Stärkung. Sogar Kolumbiens beste Köchin Leonor Espinosa, die das berühmte Restaurant „Leo“ in Bogota betreibt, lässt sich von Kreationen ihrer Kolleginnen aus der Markthalle inspirieren. Die Kaffeezone ist eine echte Oase der Entschleunigung von jeglichen städtischen Stress-Situationen bei Temperaturen von rund 25 Grad.
80 Flugminuten entfernt davon liegt die Hafenstadt Cartagena, eine prächtige Karibikmetropole: Tropische, schwüle Hitze kommt mir entgegen, als ich das Flugzeug verlasse. Cartagena wird gleichzeitig vom karibischen Meer und vom Pazifik umspült, eine traumhafte Lage für Wasserfreunde. Die Stadt wurde 1533 vom spanischen Konquistador Pedro de Heredia gegründet und gilt als eine der ersten spanischen Stadtgründungen in Nordamerika.
Piratenbanden wie die des berüchtigten Sir Francis Drake plünderten und belagerten häufig die Stadt, weil sie als Umschlagplatz für Gold und Silber schnell zu Reichtum gelangte. Deswegen legten die Bewohner einen 11 Kilometer langen Festungswall um die Altstadt an und errichteten die zwei Forts San José und San Fernando zum Schutz des Hafens.
Das alte Stadtzentrum mit seinen prächtigen und bunten Kolonialhäusern gleicht einer Filmkulisse: Pferdekutschen klackern durch die engen Gassen, Händler bieten Kokosnüsse als Erfrischung an, überall tropische Musikklänge und ein Gewusel an fröhlichen Menschen. Unbedingt sollte man sich ein Hotel innerhalb des historischen Zentrums suchen, weil man von dort alles zu Fuß erreichen kann.
Die Kathedrale von Cartagena aus dem 16. Jahrhundert gehört als Teil des Hafens und der Befestigungsanlagen zum Unesco-Weltkulturerbe. Im Zentrum liegt die Plaza de los Coches, die in lauen Sommernächten und unter mildem Laternenlicht eine magische Wirkung entfaltet. In zehn Minuten erreicht man das Ausgehviertel Getsemani. Ursprünglich ein Handwerkerviertel, haben sich mittlerweile Bars, Restaurants, Ateliers und Galerien angesiedelt, gefeiert wird hier bis in die Morgenstunden. Beim Schlendern durch die Gassen kann man Künstler auch nachts noch beim Herstellen ihrer Werke durch geöffnete Fenster beobachten. Cartagena bietet auch Strandausflüge und Badespaß in kristallgrünem Wasser, ob an den Stadtstränden oder auf den nahe gelegenen Inseln. Einen der schönsten weißen Sandstrände bietet Bocagrande vor der Kulisse von Wolkenkratzern: Hier geht das Sonnenbaden direkt ins Nachtleben über – karibischer Lifestyle pur.
Diesen Beitrag teilen: