Bei uns ist der Sommer endlich angekommen. Doch im Baltikum schwitzt man schon seit einigen Wochen. In Vilnius fühlt man sich zum Beispiel schon bei 20 Grad wie im Hochsommer. Grund dafür ist die dort herrschende Feuchtigkeit. Die litauische Hauptstadt ist jedenfalls ein echter touristischer Diamant, eine Städtereise ohne stressige Anreise und überlaufene Innenstadt.
Das geschichtliche Potential dieser Stadt, die im 14. Jahrhundert als Großherzogtum gegründet wurde, ist seit dem Zerfall der Sowjetunion wieder entdeckt und systematisch aufpoliert worden. Besonders auf die Kunstszene wirkte dies wie ein Katalysator. Die Stadtarchitektur war der perfekte Rahmen für diese kulturelle Selbstfindung. Nicht weniger als 50 Kirchtürme ragen in Vilnius in den Himmel. Die meisten davon wurden in der Sowjetzeit zu Lagerhallen, Museen oder wissenschaftlichen Einrichtungen umfunktioniert. Liebevoll sind die Gotteshäuser inzwischen wieder restauriert worden.
So strahlt die gotische Backsteinfassade und der Turm der St.-Annen-Kirche aus dem Jahre 1581 wieder in alter Pracht. Genauso wie die Bernhardiner-Kirche und die Kuppeln der altbarocken Heiliggeistkirche. Für Kunst- und Architekturliebhaber ist Vilnius daher ein echter Augenschmaus. Die Altstadt gehört heute zum UNESCO Weltkulturerbe und im Jahr 2009 wurde Vilnius gemeinsam mit der Stadt Linz zur Kulturhauptstadt Europas ernannt. Mehr und mehr Kunstfreunde zieht es seither in die Stadt, denn in den letzten Jahren eröffneten immer mehr Galerien, Ateliers und Kunststudios.
Das MO, Moder Art Museum
2018 kam außerdem mit dem MO, dem Modern Art Museum ein Museumsbau von Weltformat dazu: Der Stararchitekt Daniel Libeskind schaffte es, die großzügigen geschnittene Architektur des Museums harmonisch in die feingliedrige Nachbarschaft zu integrieren.
Das Museum ist eine große Bereicherung für das Kulturangebot von Vilnius. Denn bevor Litauen im Jahr 1990 wieder unabhängig wurde, setzten staatliche Museen Werke, die nicht im vorgegebenen Rahmen des Sozialistischen Realismus verortet wurden, auf eine schwarze Liste.
Zu Sowjetzeiten wurden sie allenfalls in kleinsten Kreisen und in Privatwohnungen gezeigt. Dieser vergessene Kunstschatz wurde aber auch nach der Souveränität Litauens von staatlichen Museen nicht aufgegriffen. So kam es zu der privaten Initiative des Unternehmers Viktoras Butkus und seiner Frau Danguole Butkiene.
Bereits jetzt umfasst ihre ständig wachsende Sammlung im MO über 5000 Werke. Viele davon gewähren ernüchternde Einblicke in den Lebensalltag der Menschen während des Sozialismus. So sind die Werke auch eine geschichtliche Analyse in Bildern, Fotografien und Skulpturen.
Auch das Das Kunstzentrum „Tartle“ geht auf eine Privatinitiative zurück. Die Institution, die sich in einem modernen Bau neben dem kubanischen Konsulat befindet, hat es sich zur Aufgabe gemacht, in aller Welt verstreute Werke litauischer Künstler zu erwerben und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So entstand eine einzigartige Schau auf die Geschichte des Landes durch Kunstwerke: rund 1000 Gemälde, mehr als 360 Skulpturen, über 2000 Bücher und mehr als 490 historische Landkarten umfasst die Sammlung bereits. Mehrere Kunsthistoriker begutachten aber ständig potentielle Neuzugänge. Wer das „Tartle“ besuchen will, muss sich vorher allerdings anmelden.
Besucher werden dann in kleinen Gruppen durch die Ausstellung geführt. Doch Kunst ist in Vilnius auch unter freiem Himmel zu sehen, ob in der Open Gallery auf einem Fabrikgelände oder in der Kommune „Art Incubator“, in deren Studios man Künstlern bei ihrer Arbeit zusehen kann. Einen guten Überblick über das kulinarische Angebot von Vilnius bekommt man in der Markthalle.
Die litauische Kost ist fettreich und bodenständig, aber unter dem Dach des rund 9000 Quadratmeter fassenden „Hales turges“ Marktes finden sich auch etliche Feinschmecker- und Delikatessläden.
Wer die traditionellen Gerichte wie die „Zeppelinas“, Kartoffelknödel mit Speck und Schinken, Borschtsch und Brotbier genießen will, kann das auch rund um die im 14. Jahrhundert errichtete Wasserburg machen, die nördlich der heutigen Stadt Trakai liegt.
Eine Dreiviertelstunde braucht man zwar mit dem Auto von Vilnius dorthin, aber der Landausflug zu der malerischen Seenlandschaft lohnt sich. Denn rund im die Burganlage haben sich etliche Restaurants angesiedelt, in denen man auch seltene Spezialitäten der Minderheit der Tartaren und Karaimen bekommt.
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