München
Ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte: Im Hotel Vier Jahreszeiten in München kann man zur Zeit so gut essen wie nie zuvor! Zum ersten Mal in der Geschichte des Hauses wurde das Hotel-Restaurant im Guide Michelin 2018 mit einem Stern ausgezeichnet.
Vor über 60 Jahren war das Restaurant „Walterspiel“ im Vier Jahreszeiten die erste Adresse in Deutschland. Ältere Münchener können sich noch gut an diese Zeit erinnern, doch die heutige „Mega-lecker-geil-Genießer-Generation“ kann mit diesem Namen wenig anfangen. 1926 kaufte Alfred Walterspiel und sein Bruder Otto das Vier Jahreszeiten. Das Restaurant gehörte, dank der Kochkunst von Alfred Walterspiel, bald zu den ersten Adressen in Europa. Das Haus wurde im zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, ab 1947 wieder aufgebaut und 1950 neu eröffnet. Doch was wurde den Gästen in den Wirtschaftswunder Jahren serviert?
Speisekarte des Restaurant Walterspiel von 1957
Forelle mit Rahm-Meerrettich 2,50 DM; Hummersalat 6 DM; Kraftbrühe Royal 1 DM; Stangenspargel Sauce Hollandaise 4 DM; Lammkotelette 7 DM; Orangen-Halbgefrorenes 2,50 DM (s. Abendkarte vom 21. März 1957).
Also die Fußstapfen von Alfred Walterspiel sind nicht gerade klein, in die der heutige Küchenchef Anton Pozeg tritt. Doch seine Devise ist: „Wer in die Fußstapfen seiner Vorgänger tritt, kann nicht überholen“.
Aber auch Anton Pozeg ist kein unbeschriebenes Blatt in der Köche Champions League: Der gebürtige Münchener stand schon im Bayerischen Hof am Herd, im Hotel Atlantic in Hamburg, kochte vier Jahre im 1-Sterne-Restaurant „Acquarello“ in München bei Mario Gamba und war Exekutive Chef im Palais Hansen Kempinski in Wien. Seit Mitte 2017 ist er Küchenchef im Restaurant „Schwarzreiter“, arbeitete aber 2010 – 2012 schon einmal in der Küche des Hotels. Ich war bei meinem Besuch im „Schwarzreiter“ restlos von seinem Menü begeistert, was sowohl die Kreativität wie auch die Perfektion bei den Garzeiten und die Präsentation auf den Tellern betrifft.
Anton Pozeg heißt höchst komplexe und aufwendige Kochkunst
Was auf den ersten Blick einfach erscheint, zeigt sich beim genauen Hinsehen als höchst komplexe und aufwendige Kochkunst. Zwei Beispiele: Die Lachsforelle wird gebeizt und gegart, garniert mit gepoppter Saiblingshaut, fermentierter und geraspelter Urkarotte. Die Kräutersailinge sind leicht angegrillt, die eingelegten Buchenpilze dazu ergänzen sich in perfekter Harmonie. Eine frische Note bringt das Waldpilztatar mit Tomate und Petersilie in Spiel. Cremig zart dazu das Karotten-Nussbutterpüree, mit leicht geräuchertem Kräutergel, Rosenblüten und Blutampfer. Die fruchtige Sauce überzeugt durch ihre Basis von Karottensaft und aromatischem Kräuteröl… Lust zum Nachkochen? Ich wage es nicht….
Auch der nächste Gang macht Freude: Attraktiv die Präsentation im Knochen ist die geschmorte Kalbshaxe mit Sauerkraut, Birne und Blutwurst. Die Haxe wird geschmort, dann gegart in einem Jus mit Thymian und Knoblauch. Anschließend gebacken in einer Sonnenblumen-Kürbiskern-Panade. Das sämige Sauerkraut wird mit Champagner und Birnensaft abgeschmeckt. (…ein Glas Champagner dazu gefällig?) Nicht zu vergessen: die leichte Blutwurstcréme unter dem zarten Fleisch mit eingelegten Birnenkugeln würde ohne Ansage sogar Vegetariern schmecken.
Die medium gegarte Bauernente mit Pastinakenpüree und Preiselbeeren ist ein weiteres Highlight des Menüs wie auch die Goldforelle mit Buchenpilzen und Petersilienwurzelpüree. Auch der Patisserie gebührt höchstes Lob. Die Dessert sind stimmig komponiert, variantenreich mit harmonischem Frucht-Säurespiel und dezenter Süße. Die Weinempfehlungen von Restaurantchef Andrej Grunert zu den Gerichten sind perfekt, gastfreundlich kalkuliert, ohne das Preisniveau der Maximilianstraße zu übernehmen.
Holger Schroth, seit Anfang des Jahres 2018 General Direktor des Hotels (und auch des Kempinski Hotels Berchtesgaden): „Ich bin sehr glücklich, dass unser „Schwarzreiter“ einen Stern bekommen hat. Ein Michelin Stern bringt uns auf das kulinarische Radar neuer Zielgruppen, die Buchungen haben um über 20 Prozent zugenommen“.
PS: Der „Schwarzreiter“ ist eine Zwergrasse des Seesaiblings, in Bayern eine Spezialität aus dem Königssee. Schon König Ludwig delektierte sich an den kleinen Fischen als geräucherter „Steckerlfisch“.
Restaurant Schwarzreiter
Im Hotel Vier Jahreszeiten / Kempinski
Maximilianstraße 17
80539 München
Telefon 089 21 25 21 25
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