Wenn es im Spätherbst viele Köche und die gesamte Gilde der Feinschmecker aus Europa nach Italien zieht, so reisen alle aus demselben Grund: eine kleine, kartoffelähnliche Knolle, die Tuber magnatum pico – die unvergleichliche weiße Trüffel aus Alba ist das Objekt ihrer Begierde.
Dabei ist sie keine Liebe auf den ersten Blick. Sie riecht intensiv nach Knoblauch und Weichkäse und gehört trotzdem zu den teuersten Lebensmitteln der Welt. Bis zu 5000 Euro für ein Kilo wird auf dem Trüffelmarkt in Alba verlangt.
In den Restaurants im Piemont bezahlt man für ein Gramm zwischen fünf und sieben Euro, in Deutschland darf es etwas mehr sein. Hier steht das Gramm zwischen acht und zwölf Euro auf der Rechnung. Die Trüffel wird über einen Teller Tajarin gehobelt, und entfaltet so ihren betörenden Duft.
Tajarin sind feine Bandnudeln mit viel Eigelb, die es nur im Piemont gibt. Der Slogan „Geiz ist geil ist hier fehl am Platz“ – für einen Teller Pasta sollte man schon zwischen fünf und zehn Gramm einplanen. Doch die Region um die Stadt Alba im Piemont hat mehr zu bieten als „nur“ die besten Trüffeln der Welt. Hier findet der Bonvivant all das, was er zu seiner kulinarischen Glückseligkeit braucht: die besten Rotweine Italiens, herzhafte Käse, Nüsse und Früchte im Überfluss, aromatische Kräuter, besondere Gemüse, bestes Fleisch vom Fassone-Rind, das es nur im Piemont gibt; Geflügel, Wild und natürlich die süßesten Süßspeisen.
Nicht ohne Grund ist Alba die Heimat von Nutella und Mon Chéri. Ferrero, einer der größten italienischen Süßwaren-Produzenten hat in Alba seine Zentrale. Nach all meinen Italienreisen habe ich das Gefühl, nirgendwo sind die süßen Leckereien opulenter und das Angebot der Desserts und feinen Kuchen verlockender als im Piemont. Kein Wunder, Süßspeisen haben hier eine lange Tradition. Für König Vittorio Emanuele II erfanden angeblich im 19. Jahrhundert die höfischen Köche die Zabaione, jene herrlich luftige Weinschaumcreme aus Eigelb, Zucker und Wein.
Andere Quellen verweisen auf Bartolomeo Scapi, der die köstliche Creme schon im 16. Jahrhundert erfunden haben soll. Im Piemont verwendet man dazu den süßen Moscato d’Asti, im restlichen Italien wird meistens Marsala aus Sizilien im warmen Wasserbad aufgeschlagen.
Aber auch die weltweit bekannte und beliebte Vorspeise Vitello tonnato hat ihren Ursprung im Piemont. In Weißwein und Gemüsebrühe gekochtes Kalbfleisch wird dünn aufgeschnitten und mit einer kalten Thunfischsauce überzogen. Unter all diesen Vorzeichen war meine Entscheidung schnell gefallen, das Angebot von Martin Hartweg anzunehmen, ihn auf einer Trüffel- und Wein-Exkursion zu begleiten.
Der Deutsche Martin Hartweg lebt seit 27 Jahren in Neive im Piemont, er ist Winzer und Trüffelhändler. Er kennt die besten Restaurants, von der einfachen Trattoria bis zum luxuriösen 3-Sterne-Tempel, aber auch den besten Metzger und wer die beste Trüffelsalami produziert.
Wir starten zu Mittag in einem einfachen Landgasthof in Neive: „Agriturismo Fiore di Pesco“. In rustikalem Ambiente werden bodenständige Gerichte auf karierten Tischdecken serviert. Und natürlich dürfen die hausgemachten, goldgelben Tajarin nicht fehlen.
Martin Hartweg hatte eine fast faustgroße Trüffel mitgebracht, die er großzügig über die Pasta hobelt. Seine Devise dabei: klotzen nicht kleckern. Für das Trüffel-Dinner am Abend ist ein Tisch im Restaurant „Wine Story“ gebucht – sein Geheimtip in Castagnole delle Lanze. Hier probieren wir ein typisches Gericht aus dem Piemont: „Carne cruda“, eine Art Tatar aus magerem Kalbfleisch mit Olivenöl, Zitrone und Knoblauch. Aber der Hauptdarsteller ist auch hier wieder eine schrunzlige Trüffel, die fast 200 Gramm auf die Waage bringt.
Großzügig hobelt der Küchenchef die weiße Edelknolle über die delikate Vorspeise. Das gleiche Prozedere widerfährt auch dem Hauptgang, goldgelbe Tajarin die sich in buttriger Sauce suhlen. Der passende Rotwein kommt aus dem Keller von Martin Hartweg, „King Magnum“, ein kräftiger Barbaresco, der über drei Jahre im großen Holzfass ausgebaut wurde.
Das Programm am nächsten Tag wird natürlich wieder von den Trüffeln bestimmt. Wir gehen mit Trüffelsucher Cosimo auf Trüffelsuche. Sein Jagdhund der Rasse „English Pointer“ gehört zu den besten Trüffelhunden der Welt. Seine Nase ist hoch sensibel. Er riecht die Trüffeln, die ja unter der Erde wachsen, bis auf eine Entfernung von 50 Meter.
Und tatsächlich, es wurde für alle ein erfolgreicher Nachmittag – zwei stattliche weiße Trüffel konnte Cosimo zehn Zentimeter unter der Erde ausgraben, die am Abend wieder über die feinen Nudeln gehobelt wurden.
Martin hatte einen Tisch im Sterne-Restauraunt „San Marco“ von Piercarlo und Mariuccia Ferrero in Canelli reserviert. Seit 60 Jahren gibt es das Restaurant und seit 30 Jahren darf sich das Haus mit einem Michelin-Stern schmücken. Man ist sich dieser Ehre bewusst, die Ober in ihren dunkelblauen Anzügen geben sich fast vornehmer als ihre italienischen Gäste, die in lässiger Eleganz bella Figura machen.
Das 8-Gänge für 55 Euro ist ein wirkliches Schnäppchen, ein besseres Preis- Leistungsverhältnis in einem europäischen Sterne-Restaurant fällt mir dazu nicht ein. Das Crudo di „Fassona“ ist auch hier unser Starter, mariniert mit Eigelb und Toma, dem Käse aus der Langhe.
Die Tajarin mit weißem Trüffel belasten auch hier unsere Kapazität, kein Wunder, die Chefin verarbeitet ein Kilo Mehl mit vierzig Eigelb! Beim „Grande Bollito Misto piemontese“ muss ich passen, probiere aber das butterzarte Lammkarree in einer Barbaresco-Sauce mit aromatischen schwarzen Trüffeln und Polenta.
Der passende Begleiter dazu: ein reifer, eleganter Barbaresco von Pelissero, Jahrgang 2010. In der Nase ein Duft von Amarenakirschen, dunklen Beeren, Lakritz, Pfeffer und Rosen. Ein Wein aus der Kategorie „Freude“ – für den Gaumen, aber auch für die Brieftasche. Überhaupt, die Weine aus dem Piemont: Obwohl das Weinanbaugebiet mit 48 000 Hektar relativ klein ist, werden hier mit die besten Rotweine der Welt angebaut. 90 Prozent der Rebflächen sind mit Rotweintrauben bepflanzt.
Die wichtigste Rebsorte ist die Nebbiolo-Traube. Aus ihr werden der weltberühmte Barolo und der Barbaresco produziert. Weniger bekannt sind der rote Barbera (Braida di Giacomo Bologna probieren!) und der Dolcetto. Die weißen Sorten Arneis, Moscato und Favorita sind weniger spektakulär, bekannt in Deutschland ist der Gavi di Gavi aus der Cortese-Traube gekeltert. Wer eine Wohlfühl-Adresse mit „Familienanschluss“ sucht, muss einen Tisch in der „Vecchia Carrozza“ in Asti reservieren.
Patrone Silvana und Patron Carlo zelebrieren eine Art von Gastronomie die in unserer heutigen Zeit selten geworden ist. Die üppigen Vorspeisen kommen auf einem Servierwagen daher, unter zehn verschiedenen Gerichten kann man auswählen. Doch jetzt ist Disziplin und Zurückhaltung angesagt – denn auch die Speisekarte hat einiges zu bieten: Flan con fonduta, Peperoni con Bagna Cauda (Spezialität des Piemont), Rinderschmorbraten in Barolo (16 Euro!), Tris di Funghi Porcini (Steinpilze), Kaninchen in Arneis-Sauce – und – natürlich wieder Tartufo Bianco satt, über Tajarin und Spiegeleier gehobelt.
Das Dessert-Angebot sprengt den Rahmen – auf drei Servierwagen bieten Silvana und Carlo 20 verschiedene Desserts an: Torten und Terrinen, Früchte und Flans, luftige Baisers und eingelegte Birnen. Wer sein kulinarisches Glück jenseits von Michelin-Sternen sucht – hier findet er es. Doch wer die mit Sternen dekorierten Restaurants liebt, das Piemont hat die höchste Michelin-Sterne-Dichte Italiens.
Schon vor 25 Jahren hatte ich im „Il Cascinale Nuovo“ ein denkwürdiges Menü erlebt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Das Ambiente ist das gleiche, der Küchenchef steht immer noch am Herd – doch was aus der Küche kommt passt in die heutige Zeit. Die Klassik des Piemont wird neu interpretiert, die Tradition gepflegt, Edelprodukte vermählen sich mit Einfachem. Exzellent das Mille-feuille von cremig-zarter Gänseleber und gesottener Kalbszunge. Die rosa gebratene Taubenbrust überzeugt mit bester Qualität, die sämige Reduktion vom schwarzen Trüffel mit aromatischer Tiefe. Aber auch ein Sterne-Restaurant ist im November keine Trüffel-freie Zone.
Der Risotto vom Carnaroli-Reis harmoniert bestens mit einer zart-süßen Kürbiscreme – das Gericht wird geadelt mit einer fein gehobelten weißen Trüffelhaube. „Innovazione – Passione – Tradizione“ haben sich die Ferretto-Brüder auf ihre Speisekarte geschrieben. Eine wohlklingende Trilogie für die Augen, die Nase und den Gaumen.
PS: Wer unbedingt ein 3-Sterne-Restaurant im Piemont besuchen möchte, auch dem kann geholfen werden. Das „Piazza Duomo“ mit Küchenchef Enrico Crippa in Alba gehört zu den besten Restaurants in Italien und zu den 50 besten der Welt. Man speist in feminin-pinkfarbenem Ambiente, das große Degustations-Menü steht mit 290 Euros auf der Karte, die passende Weinbegleitung mit den besten Barolos und Burgundern schlägt mit 500 Euros zu Buche – pro Person natürlich.
Osteria Vecchia Carrozza
Via Carbucci 41
14100 Asti
Telefon 0039 0141 538657
San Marco
Via Alba 136
14053 Canelli
Telefon 0039 0141 823 544
Hotel-Restaurant
Il Cascinale Nuovo
Strada statale 231 N15
14100 Isola d’Asti
Telefon 0039 0141 958166
Fiore di Pesco
Via Moniprandi 2 / Naive Bricco
12052 Neive
Telefon 0039 0172 67360
L’inedito Vigin Mudest
Via Vernazza 11
12051 Alba
Telefon 0039 0173 441 701
Wine Story
Via Ener Bettica 2
14054 Castagnole delle Lanze AT
Telefon 0039 0141 176 6381
Hotel-Restaurant
Felicin Ristorante „Dimora Storica“
Via Vallada 18
12065 Monforte d’Alba
Telefon 0039 0173 78225
Hotel-Restaurant
Castello di Guarene
Via Alessandro Roero 2
12050 Guarene
Telefon 0039 0173 441332
Hotel Calissano
Via Pola 8
12051 Alba
Telefon 0039 0172 364855
Martin Hartweg
tartufo & vino
Telefon +49 172 14 130 14