In Tokyo, der größten Metropole der Welt (38 Mio Einwohner), gibt es drei Dinge nicht: unfreundliche Menschen, Langeweile, schlechtes Essen. Dennoch gibt es Restaurants oder gastronomische Erfahrungen, die besonders herausstechen. Manchmal auch, weil sie einfach nur so schräg sind… Gourmino-Express-Autorin Inna Hemme stellt hier ihre Lieblinge vor:
Dinner selbst fangen
Im Zauo muss man was für sein Essen tun: Hier wird das Dinner in einem großen Becken selbst gefangen und anschließend von den Köchen frisch zubereitet. Man sitzt auf einem überdimensionalen Schiff, drumherum schwimmen Brasse, Plunder oder Hummer.
Also: Angel in die Hand und los geht’s! Zu meiner Überraschung ist sonst kein einziger Tourist da, die Japaner haben den Spaß ihres Lebens, machen Fotos und kreischen bei jedem Fang, als würde gerade Justin Bieber hereinkommen. Eine sehr ungewöhnliche Szenerie in einem sonst so ruhigen und zurückhaltenden Japan. Nichts gefangen? Kein Problem. Auf der Karte findet man die besagten Fische entweder frittiert oder gedämpft, aber auch tolle Sashimi-Platten.
Zauo ist zwar nichts für romantische Dinner zu zweit, aber definitiv ein Spaß, den man nie vergessen wird.
Tee schlürfen, Bambusstangen zersägen
HiSUi TOKYO ist eine „Multi-Art-School“, die sich auf das Weitergeben traditioneller japanischer Kultur spezialisiert hat. So kann man hier die Kunst des Kimonobindens oder des Schwertführens lernen oder auch an einer Teezeremonie teilnehmen.
Denn genau das ist Japan: Einerseits von moderner Technologie, verrückten Trends und Schnelligkeit beherrscht, anderseits wird penibel viel Wert darauf gelegt, die Tradition zu wahren und sich in entsprechenden Berufen jahrzehntelang bis zur Perfektion ausbilden zu lassen. Für die Teezeremonie muss ich mich erst einmal umziehen und in Hausschuhe schlüpfen. In den Teeraum gelangt man durch den knapp einen Meter hohen Kriecheingang.
Auch wenn kein Kriecheingang vorhanden ist, lassen sich die Gäste zum Betreten des Raumes auf die Knie nieder. Dadurch zeigt man Demut und Respekt – und zwar unabhängig von gesellschaftlichen Schichten. Jeder muss sich beugen – ob Gärtner oder König. Für die Zubereitung des Tees gibt es eine ganz genaue Reihenfolge. Am Ende reicht mir die Teemeisterin eine Schale mit aufgeschlagenem Matcha-Tee und ich muss sie verbeugend empfangen.
Eigentlich soll man die Schale zuerst seinem Nachbar anbieten, er muss sie ablehnen, erst dann nimmt man drei große Schlucke. Laut schlürfen ist wichtig – denn so zeigt man, dass man den Tee genießt. Hier vergesse ich schnell die Hektik in der Metro am Morgen und den langen Flug am Vortag… Trotzdem entspricht die Zeremonie nicht ganz meinem Energielevel. Deshalb freute ich mich, als ich hier eine Stunde später mit einem Samurai-Schwert eine dicke Bambusstange zersägen durfte.
Roll it
Kein Tokyo-Besuch ohne Sushi vom Band (wirklich alle davon sind gut, auch in abgelegeneren Vierteln). Bei uns findet man in solchen Restaurants meistens nur langweiliges Maki mit Gurke traurig vor sich hin rollend.
Hier rollen die riesigen Bänder durch den ganzen Laden und zwar mit einer wirklich üppigen Auswahl. Bezahlt wird am Ende – nach der Anzahl und Farbe der Teller auf dem Tisch. Was hier aber anders ist: Jeder hat einen Bildschirm am Tisch, wo man noch etwas anderes ordern kann (mit Bildern und Preisen, also auch bestens für Touristen geeignet). Kommt das Tellerchen auf einem Sockel, hat es jemand bestellt und man darf es nicht runternehmen…eigentlich.
Am Tisch mit einem Ninja
Tokyo ist bekannt für seine verrückten Cafés und Themenrestaurants: So gibt es z.B. Eulen- und Katzencafés, Maid-Cafés (wo alle Kellnerinnen als Zimmermädchen angezogen sind) oder Monster-Cafés (eine Art Wunderland aus Plastik, wo die Kellnerinnen als süße Manga-Monster verkleidet an der XXL-Torte mitten im Raum kleben). All das mag witzig sein, das Essen ist aber vor allem: schrill und bunt. Es geht eben um die Show. Deshalb waren meine Erwartungen an das Ninja-Restaurant nicht gerade hoch.
Zu Unrecht! Zuerst wird man durch ein nachgebautes japanisches Dorf, das nur so von Ninjas wimmelt und wo man Feuerbrücken überqueren muss, in seinen Raum geführt. Hier bekommt man ein 8-Gang-Menü: Dabei werden große Muscheln angezündet und flambiert, Desserts mit einem Samurai-Schwert durchgeschnitten, Suppen erblühen unter heißer Brühe oder ein Ei verwandelt sich in wenigen Sekunden in ein Brathähnchen. Hört sich alles zwar nach einem Harry-Potter-Kindergeburtstag an, stimmt aber nicht.
Das Essen ist sensationell und die Präsentation davon jedes Mal so verblüffend, dass jeder Skeptiker mit einem herunterhängenden Kiefer wieder herausgehen wird. Man durfte zwar weder filmen noch Fotos machen (es war ohnehin ziemlich dunkel) – aber natürlich habe ich diesen Hinweis übersehen.
Ramen for one
Wenn man mich nur nach einer einzigen Essensempfehlung für Tokyo fragen würde, wäre meine Antwort sofort: Ichiran. In diesem Restaurant wird Nudelsuppeschlürfen zu einem spirituellen Akt. Zunächst wirkt alles wenig einladend: Man stellt sich in eine Schlange, die runter zum Keller führt.
Irgendwann betritt man einen kleinen Vorraum mit zwei Automaten, die mehr oder weniger wie Zigaretten-Automaten aussehen. Dort wählt man die Suppe und die Beilagen (wie z.B. extra Schweinebauch-Scheiben, Seealgen oder Ei) und zahlt. Im nächsten Schritt bekommt man einen Zettel, auf dem man ankreuzt, wie dick die Nudeln sein sollen oder wie scharf die Brühe. Ab jetzt dauert es nur noch wenige Minuten, bis man den schlauchartigen Essenraum betritt…und staunt. Es sieht aus wie in ein Beichtraum!
Zumindest sitzt man abgetrennt voneinander und starrt auf die Wand mit einem Fenster, durch das man in wenigen Minuten den Wunsch-Ramen gereicht bekommt. Man sieht dem Koch zwar nicht in die Augen, aber er verbeugt sich nach dem Servieren so tief, dass man ihn trotzdem im Profil kurz zu Gesicht bekommt. Dann schiebt er die Fensterklappe nach unten und man genießt die Suppe in aller Ruhe nur für sich allein. „Konzentrieren Sie sich nur auf das Essen“, steht auf einer Tafel in meiner Kabine. Es war die beste Suppe meines Lebens mit der unspektakulärsten Aussicht meines Lebens (Wand).
Ist das echt?
In Japan gilt: Nicht alles ist lecker, was glänzt. Manchmal ist es einfach nur Plastik. Schon lange besteht hier die Tradition, das Essen außen in der Restaurantvitrine auszustellen. Entstanden ist diese Tradition bereits 1920, als es noch nicht einmal Farbfotografie gab. Man wollte auf diese Art den Kunden zeigen, was sie am Tisch bekommen werden.
Abweichungen vom Ausgestellten galt als Belügen und somit als sehr unhöflich. Heute ist das Fake Food wahre Kunst und so gut gemacht, dass man kaum unterscheiden kann: Was ist echt und was ist Plastik? Die Herstellung davon ist ein richtiger Ausbildungsberuf – fast drei Jahre muss man lernen, wie man Essen möglichst echt nachbildet. Auch als Außenstehender kann man diese Kunst ausprobieren, z.B. im Ganso Shokuhin Sample-Ya . In dem Traditionsbetrieb (300 Mitarbeiter) wird seit 80 Jahren Fake Food hergestellt.
Yoko Kumanaka zeigt mir bei einem Workshop, wie ich eine Tempura-Garnele und einen Salatkopf mache. Dafür muss ich geschmolzenes gefärbtes Wachs in ein 42 Grad warmes Wasser gießen und zwar in einem jeweils unterschiedlichen Muster. Danach ist viel Fingerfertigkeit gefragt. Meine Garnele wird am Ende etwas „zu paniert“, weil ich sie in zu viel Wachs hülle. Und so wird Fake Food normalerweise bestellt: Restaurants kommen mit ihrem echt gekochten Gerichten in den Laden, alles wird mit Silikon nachmodelliert und die genauen Farben festgehalten. In zwei Wochen holen sie ihr Plastikessen wieder ab und stellen es in die Glasvitrine. Witzig: Sternerestaurants bestellen nie Fake Food. Da muss der Kunde einfach Vertrauen haben.
Infos:
Direktflüge nach Tokyo Narita gibt’s mit ANA , der größten Fluggesellschaft Japans, ab Frankfurt, München und Düsseldorf. Pasta oder Hühnchen? Nö, an Bord gibt es traditionelles japanisches Essen und in der Business-Class sogar Sashimi und Wagyu-Rind. Hier wird Gastronomie über den Wolken auf eine völlig andere Ebene gehoben.
Übernachten? Entweder im Park Hotel Tokyo: Alle Zimmer auf dem Artist Floor sind von unterschiedlichen japanischen Künstlern bemalt worden, keines gleicht dem anderen. In den Henn’na Hotels wird man von sprechenden Robotern eingecheckt. Schräg!
Diesen Beitrag teilen: