Südtirol
Eigentlich hat Südtirol das ganze Jahr über Saison und die Hotels sind gut gebucht. Doch zwischen September und November ein Zimmer zu bekommen ist nicht ganz einfach. Jetzt ist „Törggelen“-Zeit, der neue Wein ist der Grund für die Reise in den Süden. Besonders der Herbst in Südtirol ist bei den Deutschen beliebt. „Törggelen“ hat übrigens nichts mit „Torkeln“ zu tun, der Begriff kommt von „Torggi“ die Weinpresse (lat. Torquere, „drehen“). Man sitzt nach einer Wanderung durch die herbstlichen Weinberge und Wälder in den urigen Buschenschänken und Gasthäusern und bestellt eine „Marende“, die schmackhafte Südtiroler Vesperplatte mit Speck, Käse, gerösteten Kastanien und Schüttelbrot.
Auch Schlutzkrapfen, Knödel und hausgemachte Würste mit Sauerkraut bilden die Grundlage für den süßen Most, den „Sußer“, und den „Nuien“, den jungen Wein. Doch wer sich nur an diesen regionalen Rustikalitäten delektiert, versäumt die besten Weißweine Italiens und außergewöhnliche kulinarische Erlebnisse in traditionellen Gasthäusern und ausgezeichneten Sterne-Restaurants – 18 Restaurants sind in Südtirol dem Guide Michelin einen oder mehr Sterne wert. Ich habe mich auf meinem Weg in den Süden wieder einmal für das „Schöneck“ in Pfalzen im Pustertal entschieden (Ausfahrt Brixen). Hier führen Karl, Siegi und Mary Baumgartner ein kulinarisches Kleinod der Extraklasse.
Nur Sterne und Bestnoten für das Schöneck in Pfalzen im Pustertal
Das Haus darf sich mit einem Michelin-Stern schmücken, aber auch alle anderen wichtigen Restaurant-Führer vergeben nur Bestnoten. Gault Millau Österreich 17/20 Punkte, 3 Hauben; Gambero rosso 2 Gabeln, 88 von 100 Punkten; ein Stern im Veronelli…
Ich sitze auf der mediterran anmutenden Terrasse mit silbrig schimmernden Olivenbäumen, genieße die Sonnenstrahlen und widme mich dem Studium der Speisekarte. Mich beeindruckt die ideenreiche Vielfalt der Gerichte, die Küchenchef Karl Baumgartner kreiert und inszeniert. Seine Kompositionen sind klug durchdacht, beim sensorischen Probieren erst überraschend, dann aber logisch, nichts wird des bloßen Effekts willens inszeniert.
Er kocht authentisch, seine Heimat Südtirol ist auf dem Teller fast immer präsent, oder muss mediterraner Dominanz kurz weichen. Die Rezepturen seiner Speisen sind lokal verwurzelt, nicht artifiziell und schon gar nicht dem Zeitgeist folgend. In die Töpfe und Pfannen kommen nur die besten Produkte der Region. Für die traditionellen Schlutzkrapfen kommt Boxelemehl (Johannisbrotmehl) zum Einsatz, was dem Gericht eine besondere Konsistenz verleiht.
Mein Hauptgang, das köstlich zarte Ziegenkitz, schmorte bei Niedrigtemperatur stundenlang, Restaurantchef Siegi richtet am Tisch den Teller an, die dichte, tiefgründige Sauce gießt er großzügig an. Der offene Raviolo wird mit aromatischem Trüffel geadelt, das Tartar vom Pustertaler „Sprinzen“-Rind ist aromatisch-pikant, der Schüttelbrot „Cheesekake“-Knusper verleiht dem Gericht die perfekte Textur. Der Pusterer Kaspressknödel mit Krautsalat ist aromatisch-fluffig, für mich die regionale Referenz der Region.
Jeder Teller macht auch optisch Freude. Blüten und Kräuter zieren die dekorativen Teller, und finden sich als gespeichertes Souvenir in den Gäste-Handys wieder. Das obligatorische Studium der Weinkarte kann ich mir im Schöneck ersparen. Restaurantchef Siegi empfiehlt für jedes Gericht und für jeden Geldbeutel das passende Gewächs.
Resümee: Karl Baumgartner gelingt der nicht ganz einfache Balanceakt zwischen Schlutzkrapfen und Steinbutt. Übrigens: Küchenchef Karl Baumgartner ist ein begnadeter Tenor! „Nessun Dorma“ von Puccini singt er so gefühlvoll wie Luciano Pavarotti. „Wollen Sie in seine Fußstapfen treten?“ war meine nicht ganz ernst gemeinte Frage. „Nein, wer in die Fußstapfen seines Vorbildes tritt, kann nicht überholen…“
Mitterstiller, ein Refugium der Ruhe am Ritten
Ein weiteres Ziel meiner herbstlichen Weinreise war die Strada del Vino mit ihren bekannten Weingütern wie Elena Walch und J. Hofstätter in Tramin, die Kellereien St. Michael in Eppan, in Terlan und in Tramin, unübersehbar in spektakulärer, futuristischer Heimstatt.
Doch bevor ich in diese komplexe Weinwelt eintauche, verlasse ich die Autobahn bei Bozen/Nord und fahre durch die herbstlich gefärbten Weinberge auf den Ritten, dem wunderschönen Hochplateau oberhalb von Bozen. Die Straße ist serpentinenreich, der herrliche Ausblick entschädigt für die kurvenreiche Strecke. In Ritten-Unterinn mache ich Helene Mur in ihrem historischen Anwesen Mitterstiller einen Besuch.
Der Tisch im Bauerngarten ist eingedeckt und der Panoramablick auf den Rosengarten, den Latemar und die Dolomiten ist grandios. Das Haus aus dem 13. Jahrhundert wurde gefühlvoll und originalgetreu restauriert und elegant-luxuriös eingerichtet. Man fühlt sich sofort wohl und von der herzlichen Gastgeberin umsorgt. Helene (so wird sie am liebsten angesprochen) serviert auf Wunsch deftige Spinat-, Rote Bete- und Speck-Knödel, den selbst gebackenen Mohnkuchen mit Apfelfüllung muss man probieren.
Zwei sehr gute Restaurants sind in nur zehn Gehminuten erreichbar, u.a. der traditionelle Patscheider Hof, eine der beliebtesten Adressen auf dem Weg zum Ritten. Das Mitterstiller – der Geheimtip zum „Entschleunigen“ – hier ist das Modewort wirklich angebracht.
Restaurant Schöneck
Karl & Siegi Baumgartner
Schloss-Schöneck-Straße 11
I-39030 Pfalzen/Mühlen
Telefon +39 0474 565550
Haus Mitterstiller
Helene Mur
Römerweg 25
I-39054 Ritten-Unterinn
Telefon +30 0471 359445
Mobil +39 3284 162148
(Übernachtung/Frühstück oder All inclusive)