Es grenzt schon fast an seelische Grausamkeit, wenn man mit einem Auto unterwegs ist, das 620 PS unter der Haube hat, die Autobahn frei ist und man nicht schneller als 100, 120 oder 130 km/h fahren darf. Wir sind unterwegs von München nach Südtirol und an den Gardasee.
Die Autobahn in Österreich und Italien ist frei soweit das Auge reicht, quasi eine Einladung den Pferdestärken einen gewissen freien Lauf zu gönnen. Doch vor den grenzenlosen Fahrspaß hat Österreich ein Großaufgebot von Radarkontrollen gesetzt. Über 4000 Blitzer und mobile Radarfallen sind z.Zt. an den Straßen installiert. Wer sich in Österreich nicht an die Regeln hält, wird teuer bestraft: 30 km/h über einer Begrenzung kann bis zu 2180 Euro kosten – Führerscheinentzug inklusive. Doch wir sind wieder einmal sicherheits- und umweltbewusst, halten uns an die Gesetze und investieren das Geld lieber in die Not leidende Gastronomie in Südtirol.
Michelin-Sterne-Restaurant Schöneck
Unser erstes Ziel ist das Michelin-Sterne-Restaurant Schöneck an der Sonnenstraße in Pfalzen/Mühlen im Pustertal. Es gehört seit vielen Jahren zu meinen Favoriten in Südtirol, vor zwei Jahren hatte ich schon einmal über diese Haus geschrieben (gourmino-express.com/Hochsaison in Südtirol). Doch wie geht es den Restaurants auf der italienischen Seite des Brenners in Corona-Zeiten?
Küchenchef Karl Baumgartner ist Optimist: „Wie alle anderen hatten auch wir große Probleme in den letzten Monaten. Doch seit einigen Wochen geht es wieder aufwärts. Die Stammgäste halten uns die Treue. Durch die strengen Gesundheits- und Hygiene-Auflagen können wir aber nur etwa halb so viele Gäste empfangen. So sind unser Restaurant und unsere Terrasse sehr schnell ausgebucht“.
Wir hatten das Glück noch einen Platz auf der Idyllischen Sonnenterrasse zu bekommen, studieren die Speisekarte und freuen uns auf das, was uns aus der Küche erwartet. Küchenchef Karl Baumgartner versteht es, die Klassiker Südtirols in Bestform auf die Teller zu bringen. Aber nichts kommt altbacken daher, jeder Gang passt in die heutige Zeit, erinnert mich an die Küche von Hans Haas im 2-Sterne Restaurant Tantris in München.
Der lauwarme, handgerollte Kalbskopf mit Kürbiskernöl ist sicher nichts für Vegetarier, doch wahre Feinschmecker lieben ihn. Auch das geräucherte Saiblingsfilet mit Joghurt-Wasabicreme und eingelegten Radieschen begeistert, die Bio-Gänseleberterrine mit verschiedenen Chutneys und Brioche schmeckt in Frankreich auch nicht besser, die rosa gebratene Taubenbrust und gefüllte Keule auf Holzkohle gegrillt mit Kartoffelgratin ist auch einen größeren Umweg wert.
Wer kreative Südtiroler Küche genießen will kommt an diesem Restaurant nicht vorbei. Die Desserts sind eine Klasse für sich. Hier findet man Kreationen die nicht alltäglich sind: Charlotte von „Dulcis“- Schokolade mit Tonkabohneneis, Latschenkieferparfait mit marinierten Erdbeeren, Schokotörtchen mit Tabakeis, Zimt-Gewürzeis, Zitronen-Ingwer-Sorbet, und natürlich ausgesuchte Käsesorten aus Südtirol, Österreich und Deutschland.
Die besten korrespondierenden Weine holt Restaurantchef und Sommelier Siegi Baumgartner aus dem Keller, einen guten Sylvaner aus dem Eisacktal gibt es schon für 29 Euro.
Gourmet Hotel-Restaurant „Steinbock“ in Villanders
Für den Abend hatte ich einen Tisch und Zimmer im Gourmet Hotel-Restaurant „Steinbock“ in Villanders gebucht. Seit zwölf Jahren führt Elisabeth Rabensteiner das historische Anwesen aus dem Mittelalter, das 1750 zum Gasthaus wurde. Mit nur 19 Jahren wagte sie den Sprung in die Verantwortung und machte aus dem historischen Gemäuer ein beliebtes und charmantes Ziel für Wanderer, Mountain-Biker und Genießer. Oder einfach für Menschen wie mich, die gerne gut essen, Wein trinken, faul auf der Terrasse in der Sonne sitzen, frei nach dem Motto „Der frühe Vogel kann mich mal…“.
Die Tische in den heimeligen Stuben sind gefragt und schnell ausgebucht. Also auch hier gilt, frühzeitig reservieren. Küchenchef Thomek Kinder schöpft aus dem reichen Fundus der Südtiroler Küche, aber auch Jakobsmuscheln, Tintenfische und pochierte Rochenflügel mit Zitronengras finden sich auf der Karte.
Wir bleiben der Region treu und delektieren uns an cremig zartem Tatar vom heimischen Rind, genießen den Zwiebelrostbraten vom Eisacktaler Weideochsen und können auch den Schlutzkrapfen nicht widerstehen.
Gelungen auch die Tomatensuppe mit Pecorinoeis und Mangold. Herzlich-kompetent führt Elisabeth den Damenservice, den Blick in die opulente Weinkarte kann man sich sparen, auch wir vertrauen auf die Empfehlungen der Gastgeberin.
Die Zimmer im Steinbock sind einfach, aber der Wohlfühlfaktor ist hoch (ab 58 Euro pro Person inkl. opulentem Vitalfrühstück ). Man spürt den Hauch der Geschichte, so wohnt man im Grafenzimmer, im Gerichtszimmer, im Herrenzimmer oder in der Adelssuite.
Für 2020 hatte Elisabeth große Pläne: Ein Anbau mit neuen Zimmern und Suiten, wie auch ein Wellness- und SPA-Bereich waren fest geplant, doch die weltweite Corona-Pandemie legte ihre Pläne auf Eis. Wir nehmen am nächsten Morgen den Höhenweg von Villanders über den Ritten nach Oberbozen. Eine traumhafte Strecke mit grandiosem Blick in das Eisacktal, den mächtigen Schlern und den Rosengarten, das wohl bekannteste Bergmassiv der Dolomiten. Doch wie könnte es anders sein, unser Weg an den Gardasee führt uns über die Strada del Vino in den bekannten Weinort Tramin.
Weingut Elena Walch
Hier hat die bekannte Winzerin Elena Walch für uns eine Weinverkostung in ihrem wunderschönen Garten vorbereitet. Wir sitzen unter Schatten spendenden Bäumen umrankt von üppigem Grün. Ich fühle mich fast als Statist eines Gemäldes des Malers Auguste Renoir. An dieser Idylle hätte auch der Impressionist seine Freude gehabt.
Klug angelegte Rasenrabatte mit Blumen und Stauden, gepflegte Kieswege, akkurat geschnittene Hecken und Buchsbäume an den Treppenaufgängen wechseln sich ab mit Magnolien und fast wild wuchernden Farnen. Verschwenderisch blühende Hortensien in altrosa und Taubenblau setzen zarte Farbtupfer – eine geglückte Symbiose zwischen Natur, Architektur und Genuss. Doch die Hauptdarsteller dieses Nachmittags sind natürlich die großen Weine der Winzerin.
Wir probieren einen meiner Favoriten, den frischen „Cardellino“. Dieser Chardonnay war der erste Wein, den ich von Elena Walch schon vor 30 Jahren verkosten durfte. Wir probieren den Pinot Grigio und den Sauvignon „Castel Ringberg“ und sind begeistert.
Besonders angetan bin ich von der Riserva Chardonnay aus der gleichen Lage. Auf eine analytische Beschreibung verzichte ich heute, man muss von einer schönen Frau auch nicht das Röntgenbild kennen um sie schön zu finden. Die Highlights unserer exklusiven Degustation sind natürlich der Gewürztraminer, der samtig-weiche Merlot und der hoch dekorierte „Beyond The Clouds“ (Über den Wolken), eine Cuvée von verschiedenen Rebsorten, dominant ist der Chardonnay.
Aber auch die Winzer haben unter der Corona-Krise zu leiden: „Der Verkauf an die Gastronomie ist am Boden und die Keller der Winzer sind voll. In einigen Monaten ernten wir den neuen Jahrgang und brauchen den Platz für die neue Ernte“ so die Winzerin zur aktuellen Situation. Wir machen uns auf den Weg nach Sirmione am südlichen Gardasee. Auch hier wieder: kilometerweit eine fast freie Autobahn. Offensichtlich haben die Deutschen doch noch Angst in den Süden zu reisen.
OK, Sirmione liegt nur etwa 100 Kilometer von Bergamo entfernt, die Bilder des furchtbaren Corona Schreckens-Szenarios in dieser Stadt hat jeder von uns noch im Kopf. In der Altstadt von Sirmione herrscht auch auf den Straßen Maskenpflicht – und – fast alle halten sich daran.
Restaurant „Risorgimento“ an der Piazza Carducci
Wir sitzen auf der Terrasse meines Lieblingsrestaurants, dem „Risorgimento“ an der Piazza Carducci. Was aus der Küche kommt ist wie immer gut, die Qualität hat sich weiter gesteigert – wie auch die Preise. Für die Empfehlung des Chefs, Spaghetti mit Hummer hatte ich vor zwei Jahren 26 Euro bezahlt, heute steht das Gericht mit 36 Euro auf der Karte.
Allerdings – eine Portion reicht auch für zwei Personen als köstlicher Zwischengang. Die Weinpreise haben unmerklich angezogen, sind aber immer noch moderat. Die absoluten Schnäppchen in Sachen Weingenuss stehen auf der Karte des Hotels „Marconi“ mitten in der Stadt.
Auf der Terrasse direkt am und über dem See gibt es den Kult-Lugana „Cà dei Frati“ für 16 Euro! In Deutschland muss man dafür mehr als das Doppelte bezahlen. Wer es prickelnd mag: die Flasche Champagner „Veuve Clicquot“ kostet 50 Euro. Für 70 Euro hatte ich hier auch ein Zimmer gebucht – einfach, sauber, mit grandiosem Frühstück und in bester Lage.
Gasthaus „Traube“
Was bleibt? Noch eine Empfehlung, eine Zufallsentdeckung in Sterzing 15 Kilometer vor dem Brenner: Das Gasthaus „Traube“ mitten in der Altstadt. Ein Gasthaus mit äußerst gastfreundlichen Preisen: Ein Glas Wein kostet hier noch vier Euro, eine Coca Cola drei Euro, hausgemachte Makkaroni in üppiger Portoion acht Euro, die obligatorischen Schlutzkrapfen 8,50 Euro – dazu noch einen kompetenten und gut aufgelegten Chef, was will man mehr.
Restaurant Schöneck
Schloss-Schöneck-Straße 11
I-39030 Pfalzen/Ortsteil Mühlen
Telefon 0039 0474 56 55 50
Ansitz zum Steinbock
F.-v.-Defreggergasse 14
I-39040 Villanders (BZ)
Telefon 0039 0472 84 3111
Weingut Elena Walch
Via Andreas Hofer 1
I-39040 Tramin
Telefon 0039 0471 860172
Ristorante Risorgimento
Piazza Carducci 5/6
I-25019 Sirmione
Telefon 0039 030 916325
Hotel Marconi
Via Vittorio Emanuele II, 51
I-25019 Sirmione
Telefon 0039 030 91 6007
Gasthaus Zur Traube
Ulrich Gander
Altstadt 12
I-39049 Sterzing
Telefon 0039 349 505 5049