Paris, Lyon und Straßburg sind für mich die Zentren der französischen Esskultur. In diesen Städten kann man alle Facetten der französischen Küche erleben, vom einfachen Bistro-Gericht bis zur exquisiten Haute Cuisine mit drei Michelin Sternen. Frankreich ist groß und jede Region hat ihre besonderen Spezialitäten. An der Côte d’Azur begeistern mich die mediterranen Fischgerichte wie die Bouillabaisse in Marseille, an der Atlantikküste sind Muscheln in Weißweinsauce angesagt, Hummer und Langusten aus der Bretagne ziehe ich dem amerikanischen Main-Lobster vor. Die Tarte tatin lasse ich mir in der Normandie schmecken, Cidre (Apfelwein) und Calvados dazu sind obligatorisch.
Im Elsass und in Straßburg schwelge ich in den bäuerlich deftigen, manchmal auch raffinierten Gerichten. Das Herz der Straßburger Küche schlägt in den unzähligen Weinstuben mit den rot-weiß karierten Tischdecken und dunkler Holzvertäfelung an der Wänden. Es ist heimelig, gemütlich. Die rustikalen Stühle und Bänke sind manchmal unbequem, aber wer einmal in die weinige Wohlfühl-Atmosphäre eingetaucht ist, bleibt. An den großen Tischen rückt man zusammen, Geselligkeit und Feinschmeckerei gehören hier zusammen. Allen Gästen gemeinsam ist die Liebe zum Wein, der hier völkerverbindend wirkt und allen ein „grenzenloses“ Vergnügen bereitet. Vielleicht hat der Europarat deshalb seinen Sitz in Straßburg.
Vegetarier werden sich in den Weinstuben in Straßburg häufig mit der Bestellung schwer tun. Natürlich werden auch Salate und fleischlose Gerichte angeboten, doch Schwerpunkt sind fast immer bodenständige, schmackhafte Gerichte vom Schwein, Rind oder Lamm, aber auch Innereien haben hier Tradition und ihren Platz auf der Speisekarte.
Sauerkraut ist fester Bestandteil vieler Gerichte, auch Fischgerichte werden oft mit dem verdauungsfördernden Kohl serviert. Köstlich: Gebratener Zander auf Rahm-Sauerkraut. Eigentlich sind die Elsässer die wahren „Krauts“. Für viele Engländer und Amerikaner sind ja die Deutschen „Die Krauts“, weil sie angeblich so viel Sauerkraut essen. Dieser „Ruf“ hält sich seit dem ersten Weltkrieg noch bis heute. Offiziell keine Beleidigung, wie der britische Werberat befand, es sei eine scherzhafte Anspielung auf ein nationales Klischee. Doch die wahren „Krauts“ leben, wie ich finde, auf der westlichen Seite des Rheins. Laut einer Studie von Hengstenberg essen die Franzosen (und auch die Amerikaner) mehr Sauerkraut als die Deutschen.
Ein Klassiker der bäuerlich-bürgerlichen Küche ist der „Baeckeoffe“, ein deftiger Eintopf mit verschiedenen Fleischsorten, die mit Kartoffeln und Gemüse stundenlang im Backofen schmoren. Wichtigste Zutat: Bester Elsässer Wein, vorzugsweise Riesling, der dem Ganzen die besondere Note verleiht. Ein beliebtes Gericht ist auch die Matelote, ein delikates Ragout von Süßwasserfischen in einer cremigen Wein-Sahnesauce, das mit Spätzle oder Nudeln serviert wird.
Für norddeutsche Kartoffelesser ungewohnt, aber man kann sich an diese Art zu kochen durchaus gewöhnen. Auch den Hahn in Weinsauce findet man im Elsass auf dem Speiseplan, hier firmiert er unter Coq au Riesling, das Original Rezept kommt aus Burgund und heißt dort Coq au Vin. Die beliebteste Vorspeise ist sicher der „Flammekueche“. Ein dünner, Pizza ähnlicher Brotteig, belegt mit Zwiebeln und Speck, verfeinert mit Sauerrahm, kurz bei großer Hitze im Ofen gebacken. Zwiebelkuchen oder die Quiche Lorraine, also den Lothringer Speckkuchen findet man auch im Elsass. Die gebratene Gänse- oder Entenleber, Schnecken, Kalbskopf oder Kalbsnieren sind nicht jedermanns Sache, finden aber immer ihre Liebhaber.
Zum Abschluss ist für Kenner ein deftig-würziger Münsterkäse fast obligatorisch, der sich schon von weitem durch seinen markanten „Duft“ bei den Gästen im Restaurant ankündigt. Oft wird etwas Kümmel dazu gereicht, das fördert die Verdauung… Da im Elsass vorwiegend Weißwein angebaut wird, trinkt man auch zum Käse einen Riesling, einen Pinot blanc oder Pinot gris oder einen Pinot noir (Rotwein) Die aromatische Sorte Gewürztraminer wird gerne zum Gugelhupf gereicht. Fehlt nur noch ein klarer Digestif, ein Eau de Vie (Lebenswasser), ein Obstbrand oder ein Marc de Gewürz, ein Marc de Muscat, ein Tresterschnaps der in Italien als Grappa auf der Karte steht
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Doch wo reserviere ich einen Tisch, wo stimmen Atmosphäre und die Qualität der Speisen: Im „Strissel“ im „Tirbouchon“, im „Hailiche Grab“, bei den „Pfifferbriadern“, im „Kammerzell“ oder im „Burjerstuewel“.
Nicht immer ist alles perfekt, doch die Stuben sind klein und der Gästeandrang groß. Mehr Platz gibt es in der wunderschönen Brasserie Floderer, ein Ableger des legendären „Flo“ in Paris. Alle Empfehlungen in der Nähe des Münsters.
Am Gutenbergplatz sitzt man herrlich auf der Terrasse des „Aux Armes de Strasbourg“ mit Blick auf das Karussell, Fachwerkhäuser und klassizistische Häuserfassaden. Das Gebotene aus der Küche ist ordentlich bis gut, Hausmannskost im besten Sinne.
Der romantischste Stadtteil ist sicher das „Petite France“, das alte Gerberviertel. Gerade jetzt im Herbst ein herrlicher Platz zum Flanieren, zum Schauen, zum Träumen – und natürlich auch zum Essen. Viele Restaurants und Weinstuben in den sensibel renovierten Fachwerkhäusern mit überbordendem Geranienschmuck laden zum Lunch und Dinner ein.
Meine Favoriten sind das noble „Maison des Tanneurs“, die „Gerberstub“ und „Au Pont Saint Martin“, die etwas einfachere „Weberstub“. Ach ja, nicht zu vergessen: die Adventszeit ist in Straßburg vielleicht die schönste Jahreszeit – nicht nur für Kinder…
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