Wien
Die jährlich wieder kehrende Aufforderung „Alles Walzer“ nach dem Einzug der Debütanten ignorierte der neue Bundeskanzler Sebastian Kurz, der mit seiner Lebensgefährtin Susanne Thier zum ersten Mal in der Regierungsloge saß. „Ich bin kein großer Ballgeher, aber vor allem bin ich ein schlechter Tänzer“. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen wurde nicht auf der Tanzfläche gesehen, aber ich denke niemand vermisste die Politik im Walzer-Getümmel. Über 5.000 Gäste verteilten sich in der Wiener Staatsoper, im großen Ballsaal, in den Sälen, den weitläufigen Gängen, in den Logen und in den wunderschönen Treppenaufgängen. Über 450 Bälle finden in der österreichischen Hauptstadt im Jahr statt. Das ist sicher einmalig in der Welt.
Doch der schönste Ball ist unbestritten der Wiener Opernball im Opernhaus am Ring.
Wenn auch Kritiker der Meinung sind, der Wiener Opernball sei nicht mehr zeitgemäß, so muss man dem entgegen halten, der Ball ist ein wahrhaftig gewordenes Märchen in unserer von Problemen gebeutelten Welt. Hier wird die Sehnsucht der Menschen nach Glamour, Harmonie und Hollywood zumindest für einige Stunden erfüllt, der Besucher fühlt sich nicht als Zaungast, als Statist, er ist Teil der grandiosen Inszenierung. 1,5 Millionen Zuschauer verfolgen den Abend zuhause an ihren Fernsehschirmen.
Für die Herren ist Frack vorgeschrieben, Orden und Ehrenzeichen sind anzulegen.
Schon beim Ankleiden komme ich mir irgendwie wichtig vor. Das geht fast jedem Mann so, der Frack macht plötzlich aus einem relativ unbedeutendem Zeitgenossen für einige Stunden eine Person des öffentlichen Interesses. Die Damen tragen lang, man sieht glanzvolle Ballroben, aber die Fotografen finden auch genügend No-Go Kreationen, Fotomaterial für die In & Out Hitlisten der Boulevard-Magazine.
Eröffnet wird der Ball um 22 Uhr, die wichtigen (und die sich wichtig fühlen) verlassen den Ball schon nach Mitternacht. Hardcore Ballgäste und High Heels erprobte Damen bleiben bis Fünf, zum „Sacher“-Frühstück geht man nur über die Straße …
Ich bin zum zweiten Mal auf dem Ball, und bin gespannt was mich nach 20 Jahren Neues erwartet. Um es gleich vorweg zu nehmen: Nichts. Und das meine ich nur positiv! Ein besonderer Abend wird es aber, wenn man (Mann) eine Ball erfahrene Dame an seiner Seite hat, wie die „Ludwig vom Beethoven“. So der Spitzname von Barbara Ludwig, General Direktorin im Hotel Beethoven in Wien.
Sie weiß, wo die Weinbar ist, wo das Spielkasino, wo das „Schwarze Kameel“ mit den feinen Schinkenbroten mit frischem Meerrettich (heißt in Österreich Schinken mit gerissenem Kren) ist wo ist der Marmorsaal mit unserem Tisch, wo trifft man richtige Prominente, und wo trifft sich Seide mit Halbseide.
Begehrtestes Fotomotiv des Abends war sicher wieder Richard Lugner mit seinem Stargast Melanie Griffith. Auch wenn die 60-jährige Schauspielerin nach ihrer Krebsoperation an der Nase nur bedingt Titel fähig ist, Photoshop wird es schon richten. Richard Lugner war von ihr begeistert: „Sie ist eine der wundervollsten Begleitungen, die ich je hatte. Ein Traum von einem Gast“.