Wien
Wie jedes kleine Mädchen träumte ich davon, mal von einer Pferdekutsche zum Ball abgeholt zu werden. Heute erstarrt mein Herz schon vor Freude, wenn der Bus in Berlin pünktlich kommt. Manche Träume gehen allerdings mit Verspätung in Erfüllung. Und so kam Anfang des Jahres gleich eine Einladung hereingeschneit (auch wenn nicht von zwei zwitschernden Vögelchen getragen) – zu einem echten Wiener Ball. Wien gilt seit mehr als 200 Jahren als die Hauptstadt aller Bälle. Alljährlich finden in der österreichischen Hauptstadt rund 450 Ballveranstaltungen statt. Wo werde ich also sonst zur Prinzessin, wenn nicht hier?
Kleine Geschichtsstunde: ihre erste Blüte erreichten die festlichen Ballabende beim Wiener Kongress 1814/15. Zahlreiche gekrönte Häupter und Politiker aus ganz Europa trafen sich in der Metropole des Habsburgerreiches, um nach dem Sturz Napoleons die Ländergrenzen neu festzulegen. Und mussten bei Laune gehalten werden. Immer, wenn jemand bei Laune gehalten werden muss, kommen tolle Erfindungen heraus. Heute reicht die Ballpalette von traditionell bis ausgefallen. Natürlich kennt jeder den Opernball. Dabei gibt es z.B. auch noch den Zuckerbäckerball, den Philharmonikerball, den Polizistenball und sogar den Hip-Hop-Ball, wo zum Kleid Turnschuhe kombiniert werden.
Meine Einladung war für den 61. Kaffeesiederball in der Hofburg – und der ist bei den Wienern äußerst beliebt.
Weil er so nett ist, festlich, aber dennoch nicht zu steif. Kein Medienevent, sondern eher was fürs Herz. Seit 1957 wird der Ball vom Klub der Kaffeehausbesitzer organisiert. Glücklicherweise, denn bekanntlich wird ja jede Prinzessin ohne Kaffee zur Hexe. Die Wiener Kaffeehaustradition zählt übrigens seit 2011 sogar zum Kulturerbe der Unesco! In Top-Adressen wie das Café Museum tranken schon Gustav Klimt, Peter Altenberg oder Adolf Loos ihre Melange. Weitere schöne Kaffeehäuser sind Café Central, Café Landtmann, Café Hawelka, Café Demel, Coffee Pirates.
Während die Kaffeehäuser allerdings jeder Tourist aufsuchen kann, war mir nicht bekannt, dass es sich mit den Bällen ähnlich verhält. So schwer ist es also nicht, Prinzessin für eine Nacht zu werden. Eine Karte kostet zwischen 50 und 300 Euro (Flanierkarten für den Kaffeesiederball ca. 150 Euro). Die Damen brauchen ein langes Abendkleid, die Herren einen Frack oder zumindest einen Smoking. Beides kann man kurzfristig leihen. Und Walzer-Grundkenntnisse sind auch von Vorteil.
Am Morgen vor dem großen Tag mache ich an der Tanzschule Elmayer deshalb einen Walzer-Crashkurs (kann jeder buchen).
1919 wurde die Schule vom ehemaligen Rittmeister Willy Elmayer-Vestenbrugg gegründet, um auch dem einfachen Volk Walzer und Etikette beizubringen. Denn Ballbesuche waren lange Zeit nur Aristokraten vorbehalten. Ich lerne die Schritte schnell: Ein Bein nach hinten, das andere zur Seite, nachziehen – und das vom Enkel des berühmten Elmayers persönlich! In dieser Schneckengeschwindigkeit kein Problem, aber: Der Walzer gilt mit ungefähr 60 Takten pro Minute als der schnellste Tanz der Welt. Wir werden sehen, was später auf der Tanzfläche passiert.
Danach steht das Aussuchen des Kleides auf dem Programm – bei Vondru kann man Ballkleid und Frack leihen. Meins ist zu lang und zu breit (Yesss, und das nach Weihnachten!), es muss also gekürzt und angepasst werden. Ich gebe meine Hoteladresse an, das Kleid wird mir aufs Zimmer geliefert. Was für ein Service! Allerdings kann das Ausleihen bis zur Hälfte des Kaufpreises kosten (vor allem bei neuen Kleidern). Ich würde daher raten, auf jeden Fall auch ein eigenes langes Kleid mitzunehmen, falls nichts Passendes dabei ist.
So viel Schönheitsstress macht hungrig, meine Empfehlung für ein Snack zwischendurch: Die Schnittchen im Schwarzen Kamel. Wer sich nicht entscheiden kann, nimmt einfach alles. Sind ja genau deswegen so klein.
Als ich zurück auf mein Zimmer im Park Hyatt Vienna komme, liegt mein Kleid auf meinem Bett! Das Hotel ist eine ehemalige Bank, und wirkt wahrlich kaiserlich. Sich dort für den Ball fertig zu machen, hatte schon eine besonders festliche Atmosphäre. Wie wunderschön ist bitte das Hotelrestaurant The Bank Brasserie & Bar?