Die Stadt Straßburg hat ihren festen Platz in den Nachrichten. Mal geht es um das Europäische Parlament und seine neue Präsidentin Ursula von der Leyen, mal um die Anhörung der neuen Kandidaten für die Posten der Kommissionsmitglieder vom 30. September bis 8. Oktober 2019. Das leidige Brexit-Drama ist ein Dauerthema, und der fragliche 31. Oktober 2019 als Ausstieg der Briten aus der EU wird uns noch einige Zeit beschäftigen.
Straßburg versteht sich als „Hauptstadt Europas“, schließlich haben der Europarat, das Europaparlament und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ihren Sitz in der Stadt.
Für mich hat Straßburg eine ganz andere, weitaus weniger weltbewegende Bedeutung: Straßburg ist für mich so etwas wie meine kulinarische Heimat. Hier wagte ich meine ersten Schritte in die Welt der Michelin-Sterne-Restaurants: Bei Émile Jung im Restaurant „Au Crocodile“ (erhielt 1972 seinen ersten Stern, leider z.Zt. geschlossen), bei Antoine Westermann im „Buerehiesel“, bei Paul Haeberlin in der L’Auberge de I’ll in Illhaeusern, aber auch bei Paul Bocuse in Collonges-au-Mont-d’Or bei Lyon. In ihren heiligen Hallen empfing ich die höheren Weihen der Gourmandise. Die Namen Witzigmann und Winkler waren in Deutschland noch weitgehend unbekannt, erst 1971 begann mit Eckart Witzigmann im Tantris in München das deutsche Küchenwunder.
Doch das ist Geschichte. Ich sitze auf dem Münsterplatz vor dem Maison Kammerzell trinke ein Glas Gewürztraminer aus dem Elsass, er ist auf den Weinkarten in Deutschland selten zu finden und lasse die Touristenströme an mir vorbeiziehen. Natürlich treten sie in der Hochsaison auch hier in Horden auf, aber irgendwie verhalten sich hier die Menschen leise, fast ehrfurchtsvoll. Vielleicht ist man vor der beeindruckenden Fassade des Münsters einfach sprachlos.
Vor einem Café um die Ecke platziert sich eine junge Frau mit wirren Haaren im Schneidersitz auf dem Boden mit Rucksack, Plastiktüten und drei Hunden. Mit ihrer Blockflöte spielt sie „I Did It My Way“… Manche sind berührt, viele schauen weg. Ich bekomme als Mitglied unserer Wohlstandsgesellschaft fast ein schlechtes Gewissen und mache mich auf den Weg in die Orangerie.
Hier finde ich im Restaurant „Buerehiesel“ einen Platz auf der Terrasse unter dem Sonnensegel. Sträucher, Bäume und Büsche in üppigem Grün umranken das Refugium der Ruhe und des Genusses. Ich nippe an meinem Crémant d’Alsace und vertiefe mich in die verheißungsvolle Speise- und Weinkarte und bin in freudiger Erwartung. Das malerische Fachwerkhaus wurde ursprünglich im Jahre 1607 in Molsheim im Elsass gebaut. Erlebte dann später im Rahmen der Industrie- und Gewerbeausstellung 1895 seine strahlende Wiederauferstehung am heutigen Platz in der Orangerie.
Sie ist die schönste und größte Parkanlage in Straßburg, in direkter Nachbarschaft zum Europäischen Parlament. Aus der früheren Weinschänke wurde das Gourmet-Restaurant „Buerehiesel“. Für alle, die mit dem Elsässer Dialekt nicht klar kommen – auf hochdeutsch Bauernhäuschen.
2007 übernahm Eric Westermann das Restaurant von seinem Vater Antoine mit dem er sechs Jahre Seite an Seite in der Küche stand. Heute steht er an der Spitze der besten Restaurants in Straßburg und darf sich mit einem Michelin-Stern schmücken. Das Elsass ist seine Heimat und man findet die Gerichte dieser Region auch auf seinen Tellern wieder. Er ist in der Tradition verwurzelt, aber ohne in der Klassik stehen zu bleiben.
Seine Philosophie findet sich in den Rezepturen wieder. Beste Produkte und Nachhaltigkeit sind sein Credo, ganz im Geist verpflichtender Westermann-Tradition. Moderne Kochtechniken unter Berücksichtigung von ökotrophologischen Aspekten sind bei seiner Küche selbstverständlich. Man sieht und schmeckt es sowohl in der Kombination wie auch in der Präsentation der Produkte. Ich war begeistert von meiner Vorspeise Bretagne trifft Provence: Gegrillter Tintenfisch aus der Bretagne mit Artischocken aus der Provence.
Intensiv der geräucherte Aal, glasiert mit Teriyaki Sauce, die Terrine von der Entenleber mit Portwein-Gelee ist im Elsass ein Muss, statt Brioche werden dazu kleine Dampfnudeln gereicht. Die mit Gewürzen lackierte Ente schwimmt im Portwein-Jus, rohe und gekochte Pfirsiche setzen mit Süße und Säure gut ausbalancierte Akzente.
Die confierte Brust vom Schwein mit Rote-Zwiebel-Fondue, Tomaten-Concassée, Gemüse und Salbei muss ich probieren. Auf der Speisekarte wurde in deutsch vermerkt: Unsere Schweine wurden auf dem Bauernhof im Freien ausgezogen – na dann… Bon Appétit.
PS. Die urigsten Weinstuben, die besten Adressen für „Flammekueche“ und Mistkratzerle, für Schnecken, Sauerkraut und Spätzle, natürlich wo „Baeckeoffe“ am besten schmeckt, und die Adresse des Restaurants „Wo de Fuchs de Ente predigt“ in der nächsten Folge meiner Reise.
Restaurant Buerehiesel
Eric Westermann
4, Parc de l’Orangerie
67000 Strasbourg
Telefon +33 3 88 45 56 65
Business-Menü 44 Euro
4-Gänge Menü 79 Euro
6-Gänge 109 Euro