Was ist das für eine Zeit, in der wir gerade leben? Das Coronavirus Covid-19 hat unser Leben fest im Griff. Noch nie gab es in Deutschland
eine vergleichbare Situation. Schulen, Kirchen, Kitas, Kinos, Restaurants, Cafés und Bars bleiben geschlossen. Essen gehen mit Freunden war gestern. Ein Wochenende in Südtirol, Mailand, Barcelona, Rom, Paris oder Dänemark? Keine Chance – die Grenzen in Europa und zu unseren Urlaubs-Hot-Spots am Mittelmeer und am Atlantik sind dicht. Tausende von gestrandeten Urlaubern werden von Ägypten, den Maghreb-Staaten Algerien, Tunesien, und Marokko (Marrakesch) nach Deutschland zurück geholt. Die weltweite Pandemie bestimmt den Rhythmus unseres Lebens. Konzerte und Sportveranstaltungen werden abgesagt, Ausgangsbeschränkungen verbannen uns in unsere eigenen vier Wände. „Lesen Sie mal ein gutes Buch (soweit man eines hat…), finden Sie zu sich selbst oder zu Ihrer Familie…“ raten Psychologen und Psychiater – da habe ich so meine Bedenken… Ich bin zuhause in meinem Home-Office, lese und schreibe. Zwischen den Corona-News auf allen Fernseh-Kanälen bin ich Dauergast auf ARTE. Reise-Reportagen über exotische Länder, Cuisines des Terroirs, selbst nervige Kochsendungen sind meine Fernsehkost. Die TV-Serien „Unter weißen Segeln“, „Traumschiff“, „Lust auf Meer“ machen den Menschen Appetit auf den nächsten Urlaub – der bestimmt kommen wird!
Auch Gourmino Express zeigt Ihnen wo die Welt am schönsten ist – schau’n Sie mal rein. Wo es die schönsten Strände, die besten Hotels und Restaurants gibt – die mit Sicherheit in den nächsten Monaten auch wieder Gäste empfangen werden. Noch kurz vor dem Ausreiseverbot war ich in Marrakesch. Lassen Sie sich von meiner Reportage inspirieren…
Wer kennt sie nicht, die Märchen aus Tausend und einer Nacht: Aladdin und die Wunderlampe, Ali Baba und die 40 Räuber, Sindbad der Seeräuber und wie sie alle heißen. Geschichten aus dem Morgenland, von prächtigen Palästen, von grausamen Sultanen und Kalifen, schönen Prinzessinnen und von fliegenden Teppichen. Ich sitze in Marrakesch auf der Terrasse des Café de France beim schäumenden Minztee und versinke in meinen Gedanken in die Märchen, die vor meinen Augen auf dem Djemaa el Fna einen Teil der realen Welt abbilden.
Teppiche und -Händler gibt es auch, aber mit dem Fliegen klappt das nicht so wie im Märchen. Heute fährt ein Berber in einer traditionellen Djellaba auf dem Fahrrad an meinem Café vorbei, und ein Eselkarren der Müllabfuhr verströmt die Gerüche des Orients.
Der Djemaa el Fna ist zentraler Marktplatz der Medina, der Altstadt von Marrakesch. Früher der mittelalterliche Markt- und Henkersplatz, Hinrichtungsstätte der mächtigen Sultane. Die Köpfe der Toten wurden aufgespießt und zur Abschreckung zur Schau gestellt. Heute beherrschen Garküchen, Händler, Gaukler, Geschichtenerzähler, Wahrsager, Musiker und Schlangenbeschwörer das Bild. Während es tagsüber noch relativ ruhig und entspannt zugeht, mutiert der Platz am Abend zu einem Melting Pot, einem Gewusel von tausenden Touristen und Einheimischen.
Unzählige Garküchen werben um die hungrigen Nachtschwärmer. Wir haben nach einem Restaurantbesuch keinen Hunger, doch irgendwann kann man dem aggressiven Anpreisen des Personals „seiner“ besten Küche nicht mehr ausweichen. Wir sitzen unter einer Rauch- und Dunstglocke, die über dem ganzen Platz schwebt, an engen Tischen mit offensichtlich reichen Touristen aus Dubai, hantieren mit Plastikbesteck auf Plastiktellern und auf Plastiktischdecken. Mein Tipp: Bestellen sie genau nach der (Plastik)-Speisekarte, zeigen sie auf die Preise! Wir sitzen plötzlich vor Unmengen von Lamm-Koteletts und -Spießen, gegrilltem Fisch, Tintenfischen, Kamelwürsten, Geflügel und Garnelen – obwohl wir nur ein Gericht bestellt hatten.
Dazu trinken wir zwangsweise (Allah schaut auch auf „Ungläubige“) Coca Cola und Orangensaft. Die Rechnung ist doppelt so hoch wie vermutet, von unserem reich gedeckten Tisch geben wir die Hälfte an eine alte Frau, die mit einer Plastiktüte am Tisch wartet und um die üppigen Reste bittet… Permanent traktieren Musiker unsere Ohren und erwarten dafür noch ein großzügiges Trinkgeld. Dazu ruft der Muezzin zum Gebet (fünfmal täglich), eine Atmosphäre, die man erlebt haben muss. Alle Sinne sind gefordert, niemand kann sich dieser exotischen Faszination entziehen. Zurecht wurde der Platz 2001/2008 in die UNESCO-Liste Meisterwerke, immaterielles Kulturerbe der Menschheit aufgenommen.
Marrakesch ist ein Schaufenster des heutigen urbanen Afrikas mit all seinen kulturellen Ausdrucksformen. Sie ist ein weltweit bekanntes und beliebtes Reiseziel mit traditionellen und zeitgenössischen Kunstzentren. Die Tourismus- und Sport-Infrastruktur erfüllt höchste Ansprüche. Golfer schätzen die 13 Golfclubs in der Umgebung. Wer sich für Autorennen interessiert muss im Februar/März buchen. Seit 2016 finden die Rennen der Formel E auf dem Circuit International Automobile Moulay El Hassan statt. Und auch die Modebranche hat sich fest in Marrakesch etabliert. Yves Saint Laurent lebte lange in der Stadt, das Modehaus Dior präsentiert seine Kollektion seit Jahren vor den VIP’s der Branche.
Für Filmschaffende ist das Filmfestival das wichtigste Event des Jahres. Ende 2019 wurde Robert Redford für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Und natürlich gehören die Hotel-Resorts zu den besten der Welt. Wer es sich leisten kann, bucht in den Luxus-Resorts La Mamounia oder im Royal Mansour. Hier lebt man wie in einem orientalischen Palast. Das hat natürlich seinen Preis.
Im Royal Mansour werden 2000 Euro pro Nacht aufgerufen, dagegen erscheint das La Mamounia mit 600 Euro für ein Doppelzimmer pro Nacht fast wie ein Schnäppchen.
Interessant für Wein-Connaisseure: eine professionelle Verkostung von Spitzenweinen aus Marokko, Italien und Frankreich und eine Führung durch den Weinkeller des La Mamounia. Auch die Oberoi-Gruppe ist seit 1. Dezember 2019 mit einem exklusiven 5-Sterne-Hotel vertreten. Nicht zu vergessen die Luxus-Resorts Four Seasons, Mandarin Oriental und das Palais Namaskar, etwa 12 Kilometer außerhalb der Stadt.
Der Grund meiner Reise war das Riyad el Cadi von Julia Bartels in der Medina, nur wenige Schritte vom Djemaa el Fna entfernt. Als Riad bezeichnet man ein Stadthaus, ein Palais mit unscheinbarer Außenfassade und einem Patio mit vier mit Bäumen bepflanzten Flächen und einem Brunnen in der Mitte. Herwig Bartels, Vater von Julia war langjähriger Diplomat und Botschafter in Marokko. Seinen Ruhestand wollte er in Marrakesch verbringen, also erwarb er das im 14. Jahrhundert erbaute Riad. Im Lauf der Jahre kaufte er einige der angrenzenden Häuser dazu, die er aufwendig restaurieren ließ und in das Haupthaus integrierte. Heute führt Julia Bartels das Gästehaus mit 17 Zimmern, drei Patios und drei Salons.
Wer einen Sonnenuntergang und den Blick über die Medina auf der weitläufigen Dachterrasse erlebt, versteht die Liebe der Familie zu dieser magischen Stadt. Dass man sich in der Medina und den Souks immer wieder verläuft weiß jeder Tourist. Dass ich aber in meinem Palais Riyad el Cadi auch nach zwei Tagen mein Zimmer und die Rezeption mit dem Ausgang nicht finde, ist mir auch nach über 1000 Hotelaufenthalten weltweit noch nie passiert.
Doch immer ist jemand zur Stelle der mich durch das verzweigte Labyrinth über Treppen und Innenhöfe zu meinem Zimmer bringt. Alle Zimmer sind für ein Stadthotel ungewöhnlich groß, im ersten Stock klimatisiert, im Erdgeschoss aber Dank der traditionellen Architektur auch im Sommer nicht zu warm. Da wir keine Teppiche, keine Lampen, keine Schuhe und sonstigen Lederwaren brauchen, verzichten wir auf einen ausgedehnten Besuch der Souks, und buchen einen Kochkurs bei Küchenchef Tariq im Hotel.
Ich bin mit Peter Julius, dem Präsidenten der Stiftung Deutsche Tafelkultur unterwegs, eine klare Sache, dass wir uns mit Elan in die Geheimnisse und Rezepturen der marokkanischen Küche wagen. Ich bin begeistert und überrascht über die Gewürzvielfalt, die uns Tariq erklärt und wie großzügig er beim Kochen damit umgeht.
Wir verarbeiten Auberginen, die kurz frittiert werden und später mit Kräutern und etwa zehn Gewürzen als Zaalouk, einem köstlichen Püree als Vorspeise auf den Tisch kommen. Der Krautsalat wird mit Birnen, getrockneten Aprikosen und Petersilie verfeinert, die Tomaten für den Salat werden von ihrer Haut befreit, die Kerne fein säuberlich ausgekratzt, die Filets sehr klein geschnitten (darauf achtet Tariq besonders) und mit einer Hand voll Petersilie und einer süß-säuerlichen Marinade aromatisiert. Kleingeschnittene Paprika sorgen für grüne Farbtupfer.
Unser Zitronenhuhn erfährt seinen besonderen Kick durch eingelegte salzig-saure Zitronen, als Beilage fungieren Oliven, die auch als Vorspeise durch Harissa eine delikate Schärfe bekommen. Die Lammschulter wird langsam in einem klassischen Tajine, einem Tontopf mit konischem Deckel gegart, dazu wird Couscous und eine Sauce mit Zwiebeln und Rosinen gereicht. Auf Coca Cola und Orangensaft verzichten wir, für uns „Andersgläubige“ ist ein Glas Wein zum Dinner von Geburt an in der DNA.
PS: Bleiben Sie gesund, bleiben Sie zuhause und bleiben Sie online…
Ihre Gourmino-Express Redaktion