Kuba
Was ich als reisender Feinschmecker an Havanna finde, werde ich hin und wieder gefragt. Immerhin war ich in den letzten zehn Jahren einige Male da. Die „Gourmet“-Szene der Stadt kann es ja wohl nicht sein. Nein, es sind die automobilen Leckerbissen auf den Straßen und Plätzen, die es mir angetan haben. Man muss nicht unbedingt Auto verrückt sein, um sich von der Faszination der amerikanischen Oldtimer anstecken zu lassen. Es ist eine Zeitreise in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts, eine Reise bevor Fidel Castro und sein Bruder Raúl mit Che Guevara 1959 die Macht von Diktator Fulgenico Batista übernahmen.
Havanna polarisiert
Die Stadt polarisiert: entweder man liebt den morbiden Charme der Stadt mit ihren ehemals prächtigen Gebäuden aus der Kolonialzeit, die bröckelnden, barocken und klassizistischen Fassaden, oder man verbringt seinen Urlaub irgendwo am Strand in Varadero/Kuba oder in Florida am South Beach mit anonymen Wohnsilos und gesichtslosen Hochhäusern.
Ich bin immer wieder begeistert von La Havanna Vieja, der Altstadt von Havanna, die 1982 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde, den engen Gassen mit ihren einfachen Restaurants und Bars, in denen Salsa & Rumba-Rhythmen auch gehemmte Touristen zum Mitmachen animieren. Musik und Tanz ist in Kuba Ausdruck des Lebensgefühls. Und diese Freude ist ansteckend, das spürt man schon nach einem Tag in der Stadt (Tanzkurse über Baila Havanna).
Mitten in der Altstadt: La Bodeguita Del Medio in der Calle Empedrado 207. Hier trinkt man traditionell Mojito, den Cocktail aus Rum, Limetten, Zucker, Mineralwasser und Minze. Die Bodeguita war die Lieblingsbar von Ernest Hemingway, so steht es über der Theke, was aber angeblich nicht stimmt… (mehr darüber in den nächsten Folgen meiner Havanna Reise, wie auch alles über die besten Restaurants, die Uferpromenade Malecón und den 1959 Cadillac Convertible, den Gipfel des ausschweifenden Karosserie Designs).
Wie dem auch sei, die Stimmung in der Bodeguita macht an und ist mitreißend. In dem kleinen Raum ist man mit den Musikern auf Tuchfühlung, wer sich an der Theke einen Platz erkämpft hat, vergißt den Tag mit Oye Como Va von Carlos Santana, Guantanamera, El Comandante Che Guevara, anregenden Mojitos und einer Cohiba Robusto (kubanische Zigarre). Hinter der Bar das einfache Restaurant, ein andalusisches Gewölbe. Früher einmal weiß verputzt, aber jeder Gast hat sich an den Wänden mit seinem Namen verewigt. Auf der Karte Moros y Cristianos, übersetzt, Mauren und Christen, serviert werden schwarze Bohnen und weißer Reis, eher etwas für sozialistisch-kommunistische Gaumen…
Doch warum gibt es so viele amerikanische Oldtimer in Havanna?
Der Grund liegt in der politischen Vergangenheit des Landes. Nachdem Fidel Castro 1959 an die Macht kam, wurden Bürger, Staatsbeamte und Unternehmen der Vereinigten Staaten Schritt für Schritt enteignet. Als Gegenmaßnahme sprach die amerikanische Regierung, und viele westliche Länder, ein Wirtschafts- und Handels-Embargo aus, das im Oktober 1960 in einem totalen Exportverbot endete.
Der Beginn der totalen Mangelwirtschaft, die auch heute noch das Leben der meisten Menschen bestimmt. Die Kubaner mussten mit den Produkten leben, die noch im Land waren, u.a. auch mit den Autos, die geflüchtete Amerikaner und Kubaner zurück lassen mussten. Hunderttausende, vor allem die gebildete Mittel- und Oberschicht verließen damals ihre Heimat, um in den Staaten ein neues Leben zu beginnen. Ihre alten Fahrzeuge, die sie zurück lassen mussten, prägen heute als begehrte Taxis das Stadtbild: Chevrolet, Chrysler, De Soto, Ford, Dodge, Buick, Cadillac, Imperial und wie sie alle heißen.
Natürlich sind sie nach 60 Jahren nicht in perfektem Zustand, woher sollten die Kubaner auch die nötigen Ersatzteile bekommen: Frontscheiben und Fensterkurbeln, Getriebe und Gummidichtungen, Bremsscheiben und -beläge.
Kubaner sind wahre Meister der Improvisation
Doch die Kubaner sind begabte Mechaniker und wahre Meister der Improvisation. Ein Riss in der Frontscheibe wird mit transparentem Klebeband repariert, alte Autoreifen erleben ihre Auferstehung als Gummidichtung an zugigen Fenstern. Kaputte Türschlösser lassen sich nur von außen öffnen, aber was soll’s, der Fahrer ist sofort hilfreich zur Stelle.
Wo früher unter der Motorhaube ein fetter Achtzylinder mit sechs Litern Hubraum und mit 300 PS seinen Dienst versah, verrichtet heute ein schmalbrüstiger Hyundai- oder Nissan-Motor mit 80 PS seinen Dienst. Auch Aggregate aus Korea und China verhelfen mit bescheidenem Hubraum und wenig PS den fast zwei Tonnen schweren Straßenkreuzern für halbwegs zügigen Vortrieb. Aber das tut einer Stadtrundfahrt im 1957 Chevrolet Impala Cabrio keinen Abbruch. Eine Stunde Sightseeing Tour im Cabrio kostet um die 40 Euro. Gönnen sie sich diesen Spaß und handeln sie auf jeden Fall. Das erste Angebot liegt meist um die 100 Euro. Die meisten Fahrer sprechen halbwegs gut englisch. Es werden auf jeden Fall ihre schönsten Urlaubsfotos. Wer gerne fotografiert, erlebt Havanna fast nur durch den Sucher seiner Kamera, nach drei Tagen hat man gefühlte 1000 Fotos gemacht.
Doch wo wohnt man in der Zwei Millionen Metropole?
Das Angebot an Unterkünften ist groß, die Backpackers, also die Rucksacktouristen kommen schon für 30 Euro pro Nacht unter. Wer sich an der Hotel-Klassifizierung mit Sternen orientiert, sollte sich nicht unter vier Sternen einbuchen. Drei Sterne-Hotels sind nicht mit europäischem Standard vergleichbar.
Ich habe wieder im Hotel Nacional de Cuba im Stadtteil Vedado hoch über dem Malecón gewohnt. Das Hotel wurde 1988 zu einem Kulturdenkmal Kubas erklärt, 1992 komplett renoviert. Es ist sicher nicht perfekt, alles ist etwas angestaubt, aber es hat seinen besonderen Charme. Hier residierten alle Wichtigen der Welt, aus der Politik, der Wirtschaft, aus dem Showbusiness und natürlich alle Mafia Bosse, vor der Revolution die wahren Herren der Stadt, wie Meyer-Lansky und Lucky Luciano. In der Bar und in der Hall of Fame kann man die Fotos der illustren Gäste bestaunen: Wladimir Putin war hier, Walt Disney, Churchill, Roman Polanski, Errol Flynn, Marylin Monroe, alle Präsidenten der sozialistischen Staaten…
Wen es nicht stört, dass jeden Tag Touristen-Gruppen durch das Hotel geführt werden, der fühlt sich im Garten mit Blick auf den Golf von Mexiko sehr wohl. In der Hotelbar serviert Barmann Carlos den besten Mojito von Havanna. Ein Dinner im eleganten Restaurant ist erschwinglich (und überraschender Weise recht gut) und im Cabaret Tropicana des Hotels kann man die schönen Beine kubanischer Tänzerinnen in den Tanzshows bestaunen… Hasta luego, bis zur nächsten Folge meiner Havanna Story….
Hotel Nacional de Cuba Havanna
Calle 21 y O, Vedado, Plaza
10400 Habana
Telefon +53 7 836 3564/67