2300 Sonnenstunden im Jahr, 10 – 11 Sonnenstunden pro Tag im Juli und August, 800 Kilometer Küste von der Adria zwischen dem Gargano und Santa Maria di Leuca bis zum Ionischen Meer zwischen Gallipoli und Taranto. (Der vielleicht schönste Strand befindet sich in San Caterina di Nardó). Wunderschöne Städte und pittoreske Dörfer, luxuriöse Hotels und Ferienanlagen, eine ursprüngliche Küche und ein vielseitiges Weinangebot, eigentlich Grund genug diese in Deutschland eher unbekannte Region zu besuchen. Wer gerne mit dem Auto unterwegs ist sollte aber vor den 1400 Kilometern Fahrstrecke ab München nicht zurückschrecken. Sinnvoll sind zwei bis drei Etappen entlang der Adria: München Verona, Bologna, Ancona, Pescara, Loggia, Bari, Brindisi, Lecce, Gallipoli.
Ich habe mich für die schnellere Anreise mit dem Flugzeug entschieden, viele Airlines fliegen Bari und Brindisi an. Nicola Nubile, der Chef der Münchner Trattoria „La Cucina“ hat seinen Sommersitz in Santa Maria al Bagno in der Nähe von Gallipoli aufgeschlagen, und möchte mir seine zweite Heimat und vor allem aber die Gerichte seiner Region zeigen. Er holt mich in Brindisi am Flughafen ab, und wir sitzen eine Stunde später im Restaurant „Buena Vista“ in Gallipoli mit schier endlosem Blick über das Ionische Meer.
Auf der Speisekarte, wie in fast allen Restaurants, Frutti di Mare, frische Fische, Krusten- und Schalentiere. Wir entscheiden uns für Scampi crudi. Scampi und Gamberi werden fast immer roh (crudi) mit Zitrone, oder mariniert gegessen. Doch worin besteht der Unterschied?
Gamberi sind Garnelen, bei den Franzosen stehen sie als Crevetten auf der Karte, bei den Spaniern bestellt man Gambas. Kleine Garnelen sind im englischen Shrimps, größere sind die beliebten King Prawns. Scampi sind keine Garnelen, sie haben Scheren und sind in Deutschland als Kaisergranat bekannt, in Spanien als Langostino, in Frankreich als Langoustine. Wer es sich leisten kann, bestellt Aragosta oder Astice – also Languste und Hummer, das teuerste was das Meer zu bieten hat.
Nach unserem Lunch hatten wir für den Nachmittag einen Termin mit Adriano Mosé in seiner Masseria Tenuta Mosé in Sannicola vereinbart. Doch was ist eine Masseria in Apulien (Plural Masserie)? Eine Masseria ist ein herrschaftlicher Landsitz, ein Landgut. Ähnlich einer Hazienda in Spanien. Wohlhabende Landbarone und Adelsfamilien lebten zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert in diesen ursprünglichen Bauernhofkomplexen in Apulien.
Heute sind viele Masserie luxuriöse Hotelanlagen mit allem erdenklichen Komfort und bester Küche. Viele dieser Relais befinden sich zwischen Bari und Brindisi (gourmino-express.com Borgo Egnazia) direkt an der Adria. Doch die Masseria Mosé befindet sich im Herzen des Salento ganz in der Nähe von Gallipoli. Die beeindruckende Adelsresidenz aus dem 18. Jahrhundert ist umgeben von jahrhundertealten Olivenbäumen von denen biologisch natives Öl gepresst wird. Aber auch Wein wird produziert. Auf 4,6 Hektar Weinbergen wird die Rebsorte Fiano Salento angebaut, der 2019 Jancu gefällt mir durch üppige Frucht, Eleganz, gute Struktur und 13 % Vol. Alk.
Im Restaurant „Il Petrosino“ steht Küchenchef Giancarlo Mele am Herd. Er versteht sich sowohl auf die traditionellen Rezepte der Region, wie auch auf die ökotrophologischen Ansprüche seiner internationalen Klientel. So stehen Pferdefilets in scharfer Sauce neben rosa Gamberi mit Miesmuscheln und Ravioli mit Artischocken und Steinpilzen auf der Karte. Die Zimmer und Suiten gehören sicher zu den schönsten in Italien, bleibt zu hoffen, dass das Wasser für die außergewöhnlichen Whirlpools nicht rationiert wird… (DZ ab 350 Euro Nebensaison).
Der nächste Tag gehört der Stadt Lecce, die größte und schönste Stadt des Sorento. Viele bezeichnen sie auch als das barocke Florenz des Südens. Prachtbauten mit beindruckenden Fassaden und historische Monumente prägen das Bild der jungen Universitätsstadt. Wir nehmen uns die Zeit und bestaunen Kirchen, Kathedralen, den Bischofspalast Episcopio, flanieren über den Domplatz und die Piazza Sant’Oronto. Doch unser Tisch im Restaurant „Osteria degli Spiriti“ wartet, Esskultur schlägt Architektur.
Die Küchenchefin Tiziana und Gastgeber Piero pflegen neben einer zeitgemäßen Küche auch die Rezepte der Tradition, Saubohnen mit Zichorie hatte ich in einem eleganten Restaurant dieser Klasse nicht erwartet. Wie auch Orecchiette con Cime di Rapa, frische Pasta in Öhrchenform mit salzigen Sardellen und Stängelkohl. Der Teller Scampi & Gambero Crudo Imperiale reichte für zwei, winziger Limettenkaviar sorgte für den besonderen Kick.
Die Pasta mit Lammragout wie auch das rosa gebratene Rinderfilet in intensiver Negroamaro Sauce sind Souvenirs für meine kulinarische Datenbank. Ein weiteres Highlight der Osteria ist der fulminante Weinkeller. Er gehört sicher zu den besten in Süditalien. 600 Flaschen jeglicher Provenienz warten auf ihre Bestimmung. Da ich mich mit den Weißweinen der Region Apulien nur schwer anfreunden kann, werde ich im wunderschönen Gewölbe schnell fündig.
Die besten Gewächse aus dem Piemont, aus Südtirol und dem Friaul warten auf passionierte Connaisseure. Die Wahl fällt auf einen 2018 Chardonnay der Genossenschaft St. Michael in Eppan/Südtirol. Für 35 Euro die Flasche geradezu ein Muss, wie auch eine weitere Flasche Pinot Grigio von Livio Felluga aus dem Friaul für 33 Euro. Natürlich hat Piero alles im Keller, was in Apulien an Negroamaro und Primitivo di Manduria einen Namen hat. Doch Rotweine mit einem Alkoholgehalt von 15 % sind mir bei den Außentemperaturen doch zu schwer… mehr über diese Weine: gourmino-express.com Negroamaro
Trattoria La Cucina
Nicola Nubile
Neherstraße 9
81675 München
Telefon 089 47 19 83