Italien – Palermo
Wenn von Palermo die Rede ist, geht es meist um die morbide Schönheit der Stadt, die Kirchen und Paläste, aber auch um den Zerfall, um Armut, um Kriminalität und natürlich um die Mafia. Dieses Jahr kam ein neuer Aspekt dazu: das Kunstfestival Manifesta vom 16. Juni bis 4. November 2018 und – Palermo ist Kulturhauptstadt 2018.
Das Kunstfestival Manifesta
Die Manifesta ist Europas wichtigste Biennale zeitgenössischer Kunst. Sie zeigt die Arbeiten von 50 Künstlerinnen und Künstlern. Ich war noch nie in Palermo und nahm diese Wander-Ausstellung zum Anlass die Stadt einmal zu besuchen. Ich kenne die Documenta in Kassel, die weltweit größte Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Nicht immer war mir klar, was die Künstler mit ihren Werken ausdrücken bzw. mir sagen wollten. Nicht viel anders ist es jetzt bei der Manifesta in Palermo. Doch der Besucher wird an die Hand genommen. Vieles was auf den ersten Blick unverständlich war, wird dann schnell klar: die Arbeiten handeln von Migration, Flüchtlingen, Nachhaltigkeit und die Probleme unserer Umwelt, sie waren das durchgängige Thema.
Sehr eindrucksvoll die Installation der niederländischen Künstlerin Patricia Kaersenhout: Sie häuft im Palazzo Forcella de Seta einen Berg Salz auf. Er soll an eine karibische Sklavenlegende erinnern. Die Verschleppten sollten auf dem Weg über den Atlantik kein Salz essen, damit sie nach ihrem Tod leichter würden und zurück nach Afrika fliegen könnten.
Zum Thema Migration ist Leoluca Orlando, der Bürgermeister von Palermo etwas anderer Ansicht als seine derzeitige Regierung in Rom. Er tritt für ein Menschenrecht auf Einwanderung ein und er will alle Menschen aufnehmen, die in Palermo leben wollen. Gerade in der Altstadt fällt der Ausländer-Anteil besonders auf, zwanzig Prozent der Bewohner sind Migranten. Ich habe eine Stadtrundfahrt gemacht, und war immer wieder von den Ansichten der Stadt begeistert. Prachtvolle Palazzi, Theater und Kirchen wechseln sich ab mit trostlosen Häuserschluchten, aber auch überraschenden Parks mit einer üppigen Pflanzenwelt wie im Englischen Garten oder im Botanischen Garten mitten in der Stadt.
Die Palermitaner (so der Terminus für die Bewohner der Stadt) lieben Grün. Sie demonstrieren mit vielen grünen Akzenten auf den Balkonen und Terrassen ihrer Häuser gegen die hässlichen Betonburgen und Bauruinen der Stadt.
Wie man so hört, verdienen die Cosa Nostra und die Mafia ihr Geld mit Bauen und nicht mit Fertigstellen. Natürlich ist der Drogenhandel nach wie vor eine weitere Einnahmequelle, aber auch mit dem Betreiben von Flüchtlingsheimen und der Geldwäsche in Deutschland werden Millionen gemacht. Wie die letzten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Palermo beweisen ist die Mafia auch im Bereich Online-Glücksspiel „Game over“ aktiv. Größter Sponsor der Manifesta ist übrigens das staatlich zugelassene Glücksspiel-Unternehmen „Sisal“… ??? Genug Stoff für eine weitere Folge des Film-Epos „Der Pate“.
Essen in Palermo
Ein anderes Thema: Ich habe für meine Augen und meine intellektuelle Fitness genug getan. Jetzt sollen auch mein Gaumen und mein Magen zu ihrem Recht kommen. Ich streune durch das Viertel „La Kalsa“, rund um den Hafen, früher das Armenhaus der Stadt, heute ein Touristenmagnet mit vielen Restaurants, Cafés, und Trattorien. Mich zieht es zum Palazzo Butera an der Hafenfront.
Das Restaurant „Le Cattive“
In dem Palast aus dem 17. Jahrhundert befindet sich seit kurzem das „Le Cattive“, ein neues Restaurant der Familie Tasca d’Almerita. Die Familie gehört zur absoluten Winzer-Dynastie Siziliens und hat bei diesem Projekt einen Treffpunkt für anspruchsvolle Kulinarik, Kunst und Geschichte geschaffen. Von der Terrasse an der historischen Uferpromenade hat man den schönsten Blick auf den Golf und den ältesten Hafen der Stadt.
In der Küche steht Daniele am Herd, ein Schüler des bekannten Sternechefs Jean-Marc Soldati in der Schweiz, unterstützt von seinem Team und Souschefin Olexandra. Gekocht wird modern, aber auch die Klassiker der Sizilianischen Küche kommen in neuem Gewand daher. Perfekt der Gambero crudo mit Lardo di Colonnata, traditionell die Spaghettone mit Anchovis, Risotto mit Kapern, Makrele und Limone e gelato. Tagliata vom Kalb mit Erdnuss-Sauce, Karottencreme und Kardamom. Sehr fein die Cremoso von weißer Schokolade und Pistazieneis.
Das Weinangebot ist, wie bei Tasca d’Almerita nicht anders zu erwarten, fantastisch – und sehr gastfreundlich kalkuliert. Der Regaleali Bianco 2017 steht mit 15 Euro auf der Karte – nicht für ein Glas, für die Flasche! Die Flasche Grillo, Cavallo delle Fate kostet 20 Euro, ein sehr guter Wein, frisch, fruchtig, aber auch mit Finesse. Ein Wein, der in der oberen Liga der europäischen Chardonnays mitspielt, ist der 2016 Vigna San Francesco. Opulent, aber nicht plump, mit dezentem Barrique-Holzton, aber dominanter Frucht. Ein feiner Wein, die Flasche für 40 Euro. Der rote Cabernet Sauvignon Vigna San Francesco glänzt mit gleicher Qualität und schlägt ebenfalls mit 40 Euro zu Buche. Wein trinken macht hier großen Spaß, und bei einer Flasche bleibt es dabei nicht…
Restaurant „Ottava Nova“
Gleich hinter dem Palazzo Butera befindet sich das Restaurant Ottava Nova in der via Butera. Auch hier italienisches Design in Perfektion. Aus der Küche kommen die sizilianischen Klassiker, ebenfalls neu interpretiert. Aber es geht auch einfacher, trotzdem nicht schlechter: Die Trattoria Ai Cascinari, etwas abseits gelegen, erfüllt auch höhere Ansprüche zu niedrigen Preisen. Die besten Restaurants, hippe Bars und versteckte Plätze mit preiswerten Trattorien in der nächsten Folge unseres Palermo- Besuchs.
Le Cattive, Palermo
Eingang Passeggiata delle Cattive (Porta Felice)
Telefon 0039 09 16 19 83 74
Ottava Nota
Via Butera 55
Palermo
Telefon 0039 09 16 16 86 01
Trattoria Ai Cascinari
Palermo
Via d’Ossuna 43/45
Telefon 0039 091 651 9804
Grand Hotel Wagner
Palermo
via Wagner 2
Telefon 0039 091 336572