„Kirchen von außen, Kneipen von innen, Berge von unten“. Ein Zitat, das auch ich früher hin und wieder auf mein Banner geschrieben hatte. Doch in der italienischen Stadt Lucca sollte man diesen Spruch wirklich vergessen.
Lucca ist die Stadt der Kirchen. 87 romanische Kirchen warten auf interessierte Besucher: Die Kathedrale San Martino mit ihrem Glockenturm, San Michele aus dem 12. Jahrhundert, San Frediano mit einem eigenwilligen Aufbau und den beeindruckenden Mosaiken auf der Fassade, San Francesco und wie sie alle heißen.
Für mich ist die unvollendete Kirche San Michele in Foro mit ihrer prächtigen Marmorfassade das schönste Beispiel sakraler Baukunst. Sie steht auf dem alten römischen Marktplatz der auch noch heute als das Zentrum der Stadt gilt. Viele Cafés umsäumen den Platz, der auch spät abends noch Treffpunkt der jungen Lucchesi ist (so nennt man die Bewohner der Stadt).
Ich wohne im San Luca Palace Hotel, nur fünf Minuten von der Piazza San Michele entfernt. Mein Frühstück nehme ich im Café Turandot, den Nightcup im Café Mercato, direkt an der Kirche. Ich war nie aktives Mitglied der „Toskana-Fraktion“, der politischen 68er-Bewegung, schwelge aber beim zweiten Glas Grappa doch in Erinnerungen. Aus den einstigen „Revoluzzern“, die ihre Zeit auch gerne in der Toskana verbrachten, sind viele zu bürgerlichen Genuss-Menschen geworden. Am bekanntesten ist wohl unser Ex-Außenminister Joschka Fischer. Revolution und Rotwein gehörten für diese Generation anscheinend zusammen. Für die meisten Deutschen ist die Toskana das Italien-Sehnsuchtsziel schlechthin. Sicher hat auch Johann Wolfgang von Goethe mit seiner Italien-Reise dazu beigetragen. Doch zurück zur Realität, zu einem Reisenden, der in Sachen Genuss unterwegs war. Lucca und Pisa waren die Ziele meiner letzten Reise, sicher nicht die Hochburgen der italienischen Michelin-Sterne-Gastronomie.
Doch wer sie braucht – in Lucca gibt es zwei besternte Restaurants, das „Giglio“ an der Piazza del Giglio und das „Butterfly“ außerhalb der vier Kilometer langen Stadtmauer. In vielen Restaurants kann man gut bis sehr gut essen, großen Wert legt man auf die regionale, bodenständige Küche. Wenn es die Jahreszeit erlaubt, wird natürlich im Freien serviert. Auf vielen, oft versteckten Plätzen und an den Straßenrändern sitzen die Menschen an kleinen Tischen und genießen ihren Teller Spaghetti mit einem Glas Rotwein.
Eine exzellente Weinkarte hat das elegante Restaurant „All’Olivo“ an der Piazza San Quirico. Hier finden auch verwöhnte Connaisseure ihr vinologisches Glück. Auch das Weingut Villa Santo Stefano von Wolfgang Reitzle und Nina Ruge ist mit seinen Weinen vertreten. Auf der Karte stehen die Rotweine „Loto“ und „Sereno“ (mehr darüber in der nächsten Folge meiner Reise). Als Vorspeise gefällt mir die aromatisch-zarte Entenleber-Terrine mit Feigensenf und krossem Brioche-Brot, der lauwarme Seafood-Salat schmeckt nach Mehr&Meer, die hausgemachten Maltagliati (Pasta) mit Fischragout frisch und haben Biss.
Die klassischen Gerichte der Toskana werden im „“Buca di San Antonio serviert. Das Restaurant ist rustikal-elegant, an der Decke hängen Schinken, Kupfertöpfe und bäuerliche Gerätschaften, an den Wänden Fotos von prominenten Zeitgenossen, die hier zu Gast waren. Wie in fast allen guten italienischen Restaurants: weiße Tischdecken und gestärkte Servietten sind auch hier obligatorisch. Schon das Lesen der Speisekarte macht mir Spaß: Steinpilze mit Ricotta-Käse und Kichererbsen-Sauce, getrüffelte Hühnerleber-Pastete, Stockfisch-Mousse mit weißen Trüffeln, Makkaroni mit Kaninchen-Sauce oder Zicklein mit Spinat-Pudding, vom Grill kommt das Bistecca alla Fiorentina (T-Bone-Steak), hier sollte man sich auf mindestens 800 Gramm Fleischgenuss einstellen (pro 100 Gramm 5 Euro).
Doch am liebsten saß ich im „Peperosa“ auf der pittoresken Piazza dell’Anfiteatro. Ein ovaler Platz, ursprünglich ein römisches Theater, das 1830 zu seiner heutigen Form umfunktioniert wurde. Heute umgeben gelbe Häuserfronten die ursprüngliche Arena, die von vielen Restaurants gesäumt ist. Schon zum zweiten Mal sitze ich im „Peperosa“ an diesem besonderen Platz und bin von der guten Küche angetan.
Das unprätentiöse Steinpilz-Carpaccio mit köstlichem Olivenöl überzeugt mit bester Qualität, wie auch das handgeschnittene Tatar. Das lauwarme Mark wird im Knochen serviert, den scharfen Kick geben die feinen Wasabi-Perlen.
Meine Tagliolini mit weißem Trüffel schmecken im Piemont auch nicht besser, und der aufmerksame wie kompetente Service von Gianni und Alessandro machen das Dinner zum ganz privaten kleinen Weltereignis. Ich sitze noch lange und nehme die wunderbare Atmosphäre in mich auf.
Die wenigen Gäste wirken entspannt, ich vermute die Harmonie der Architektur und Farben überträgt sich auf die Menschen. Die Arie „Nessun dorma“ klingt imaginär in meinem Kopf über den Platz – „Niemand schlafe“, so lautet die Übersetzung der berührenden Arie aus der Oper Turandot von Giacomo Puccini, dem berühmtesten Sohn der Stadt. Doch ein Saxophon spielender Musiker in der Platzmitte übertönt plötzlich laut meine Lieblingsarie. Auf seinem Programm steht „Hit the road Jack“ von Ray Charles (s. mein amateurhaftes Video).
„Hau ab Jack, und komm nie mehr zurück“, so die deutsche Übersetzung… Ich fühle mich nicht nicht angesprochen, plane aber für den nächsten Tag meine Reise nach Pisa.
Pisa
Die Taxifahrt kostet 75 Euro, die Busfahrt 6 Euro und dauert etwa 40 Minuten. Ich nehme den Bus, der jede Stunde ab der Piazzale Guiseppe Verdi startet. Die Piazza dei Miracoli ist meine Endstation, zum schiefen Turm sind es nur wenige Schritte – und der ist wirklich schief.
Vier Meter neigt er sich aus der vertikalen Achse. Man sollte dieses einmalige Ensemble, den Turm, den Dom und das Baptisterium (die Taufkirche) aus dem 12. Jahrhundert einmal gesehen haben. Tausende von Touristen sind unterwegs, es wird fotografiert was der Akku in den Handys hergibt.
Fast alle versuchen in den verrücktesten Positionen und Perspektiven ein lustiges Foto zu machen. Mal um den 56 Meter hohen Turm abzustützen, ihn auf den Rücken zu nehmen oder ihn zwischen Daumen und Zeigefinger zu klemmen. Ich wohne im Grande Hotel Duomo in der Via Santa Maria, 100 Meter vom Dom entfernt (ab 120 Euro/inkl Frühstück). Der Name klingt viel versprechend, doch das Hotel ist ziemlich abgewohnt, trotzdem empfehlenswert, das Frühstück ist für italienische Verhältnisse geradezu opulent, der Cappuccino sehr gut und die Lage perfekt.
Vom Dachgarten hat man einen fantastischen Blick über die Stadt und den Dom. In dieser Straße (Fußgängerzone) findet man eine Menge Restaurants, die natürlich mit ihrer Speisekarte auf den Geschmack der Millionen Touristen ausgerichtet ist. Kaum habe ich mein Hotel verlassen, werde ich gleich beim ersten Restaurant auf deutsch angesprochen:“Hallo Chef, du Deutsch, Dutch, Däne“? We are the best in Town… Ich entscheide mich für die Trattoria Toscana und bin von der Qualität der Speisen überrascht.
Die Pizza Margherita (6 Euro) schmeckt wie in Neapel, Olio picante wird ohne Aufforderung dazu gereicht, die Pappardelle mit Wildschwein sehr gut (12,50 Euro), die Portionen sind riesig. Das „La Scaletta“ hatte leider geschlossen, soll aber nach Auskunft des Concierge im Hotel das beste Restaurant in Pisa sein. Ich probiere noch eine Empfehlung aus dem Michelin-Führer, die „Osteria dei Cavalieri“ an der Piazza dei Cavalieri.
Ich buche einen Tisch auf meinen Namen (Ritter/Cavaliere) und sitze pünktlich an meinem Tisch. Die Speisekarte ist klein, die Weinkarte groß, alle großen Namen der italienischen Weinszene sind vertreten und bezahlbar. Das Carpaccio vom Tintenfisch zart und fein mariniert, die Pasta mit Steinpilzen gut, die Tagliatelline mit einer halben Languste sehr gut – für 17 Euro ein Schnäppchen. Um Irrtümern vorzubeugen: Das Restaurant hat keinen Michelin-Stern, die Empfehlung lautet: einfacher Standard, eine gute Küche mit guter Qualität. Besonders attraktive Weinkarte – wenn das kein Grund für einen Besuch ist…
Restaurant/Wein-Bistro
Peperosa
Piazza Anfiteatro 4
55100 Lucca
Telefon +39 0583 082361
Restaurant Giglio
Piazza dei Giglio 2
55100 Lucca
Telefon +39 0583 494058
Restaurant „All’Olivo“
Piazza San Quirico 1
55100 Lucca
Telefon +39 0583 493129
Trattoria Gigi
Piazza del Carmine 7
55100 Lucca
Telefon +39 0583 467266
Enoteca Vanni
Piazza del Salvatore 7
55100 Lucca
Telefon +39 0583 491902
Buca di San Antonio
Via della Cervia 1/3
55100 Lucca
Telefon +39 0583 55881
Osteria dei Cavalieri
Via San Frediano 16
56126 Pisa
Telefon +39 050 580858
Ristorante La Scaletta
Via Pietrasantina 107
56122, Pisa
Telefon +39 050 620 2050