Davos – Schweiz
Unsere Autorin verbrachte eine Nacht im Schweizer Iglu-Dorf Davos Klosters - bei minus 24 Grad Außentemperatur. Frieren musste sie trotzdem nicht.
Ist eine Übernachtung im Eis bei minus 24 Grad Außentemperatur wirklich eine gute Idee ist? Wird sich meine Gesichtshaut für immer konservieren oder werden meine verbleibenden Gehirnzellen für immer abfrieren? Und werde ich überhaupt eine Auge zubekommen? Und wenn ja, verkleben sich dann meine Wimpern zu endlosen Eiszapfen?
Fragen über Fragen, als ich mich mit Schneeschuhen und einem Rucksack ausgestattet durch den Schnee am Weissfluhjoch-Berg im Davoser Skigebiet Parsenn kämpfe. Das Iglu-Dorf Davos Klosters liegt eigentlich nur zehn Minuten von der Seilbahn-Station entfernt, trotzdem ist es kaum zu erkennen. Das Thermometer zeigt hier, auf 2620 Meter Höhe, minus 24 Grad – einer der kältesten Tage des Jahres.
„Wir sind da“, sagt unser Guide Hanna. Erst jetzt sehe ich die Holzeingangstür im großen Schneeberg. Ich habe mir eine glatte Fläche mit runden Iglus darauf vorgestellt, stattdessen gleicht das Dorf einer unterirdischen Stadt. Die so zugeschneit wurde, dass man die gewölbte Form der Iglus da drin von außen gar nicht erst erkennt.
Wir treten hinein in einen großen Raum – mit einer Eisbar, zwei knutschenden XXL-Giraffen aus Schnee und mit Fell bedeckten Sitzen. Hitze steigt mir in den Kopf. Ich ziehe erst einmal drei Schichten aus und bestelle einen Drink – auf Eis. Habe ich mich gerade noch über die Kälte beschwert? Die Temperatur im Iglu ist immer über null Grad. Egal, wie kalt es draußen ist. Schnee leitet Wärme schlecht, isoliert also gut. Nur mit ihrer eigenen Körperwärme und Öllampen gelingt es den Inuit in der Arktis sogar, im Iglu eine Temperatur von 15 Grad zu erreichen.
Das Iglu-Dorf Davos Klosters ist einer von sieben Standorten: Fünf werden jedes Jahr im Dezember in der Schweiz und zwei weitere außerhalb aufgebaut. Die Idee dafür kam 1995 dem Freerider Adrian Günter. Getrieben vom Ansporn, frühmorgens der erste auf der unberührten Piste zu sein, baute der heutige Geschäftsführer sein eigenes Iglu auf einem Berg in Scuol (im Schweizer Kanton Graubünden). Bald wollten immer mehr Leute aus dem Dorf und auch Touristen oben übernachten. Um mehr Iglus effizienter bauen zu können, entwickelt Adrian Günter 2001 eine neue Bauweise mit Ballonen (Luft rein, Schnee drüber, Luft raus), die kurz darauf patentiert wurde. Heute werden bis zu 3000 Tonnen Schnee für jedes Iglu-Dorf gebraucht. Die Wände sind so fest, dass selbst Sechs-Tonnen-Pistenbullys sie nicht zum Einstürzen bringen können.
Unser Iglu-Dorf hat 14 Zimmer, wo bis zu 46 Gäste übernachten können. Jedes Zimmer ist anders verziert und über einen ringförmigen Gang miteinander verbunden. Vom Schlafsaal für mehrere Personen bis zu einem exklusiven Romantik-Iglu mit einem eigenen Whirlpool und sogar einer eigenen Toilette – alles dabei. Im tiefen Schnee ist die Definition von Romantik wohl etwas anders…
Geschlafen wird auf einem Podest aus Eis, darauf liegt ein Fell, darauf wiederum ein Expeditionsschlafsack. Hanna erklärt seine Funktion: „Der Schlafsack ist für Temperaturen bis minus 40 Grad ausgelegt. Je weniger man an hat, desto wärmer wird es.“ Bei diesem Satz wandern die Mundwinkel aller anwesenden Männer nach oben.
Im Gemeinschaftsraum neben der Bar wird für alle ein großer Topf Käsefondue serviert. Als kein sonderlich großer Fondue-Fan lerne ich erst hier den tieferen Sinn dahinter kennen. Für ein verlorenes Stück Brot im Topf muss der Mann eine Runde Schnaps ausgeben und die Frau alle anwesenden Männer küssen. Wer braucht bei solchen Traditionen überhaupt noch einen Expeditionsschlafsack?
Noch heißer wird es nur noch im Whirlpool unter freiem Himmel. Im 39 Grad heißem Wasser halte ich es gerade einmal drei Minuten aus, wahrscheinlich ist der Temperaturunterschied zu hoch. Als ich wieder an die frische Luft komme, dampfe ich noch minutenlang wie ein Eintopf meiner Oma. Dass eine Nacht im Eis so heiß werden kann – auch ohne das Brot im Käse zu verlieren – ich hätte es nicht gedacht!
Infos zur Anreise:
Flüge von Tegel nach Zürich mit Swiss International Air Lines (swiss.com) ab 98 Euro/hin und zurück. Weiter mit der Bahn ca. 2,5 Std. (sbb.ch) nach Davos oder Klosters ab 50 Euro/Strecke.
Übernachten im Iglu-Dorf:
Eine Nacht im Gruppen-Iglu (inkl. Begrüßungsgetränk, Abendessen und Frühstück) kostet ab 129 Euro / p. P., eine Nacht im Romantik-Iglu 189 Euro /p. P. In Davos Klosters liegt das Iglu-Dorf auf dem Berg Weissfluhjoch (mit der Seilbahn erreichbar) und hat vom 25. Dezember bis 6. April geöffnet. Weitere Iglu-Standorte sind Gstaad, Schilthorn, Stockhorn, Zermatt (alles in der Schweiz), an der Zugspitze in Deutschland oder am Kühtai in Österreich. Allgemeine Infos: davos.ch, myswitzerland.com