Der Grund meiner letzten Reise nach Palermo war die Kunstmesse Manifesta (gourmino-express.com/Manifesta), zudem war Palermo die italienische Kulturhauptstadt 2018. Doch nicht nur meine kulturellen und intellektuellen Ansprüche wurden (meistens) erfüllt, auch Lunch & Dinner in den angesagten Restaurants der Stadt kamen nicht zu kurz.
Und darüber kann ich nur Positives berichten. Überspannte Restaurants mit Michelin-Sterne brauche ich in Sizilien nicht, es gibt genügend unbesternte Adressen, bei denen auch hohe Ansprüche an die Küche erfüllt werden. In der ersten Folge meiner Restaurant-Tour durch Palermo hatte ich das neue Restaurant „Le Cattive“ des Wein-Giganten Tasca d’Almerita im Palazzo Butera vorgestellt. In direkter Nachbarschaft befindet sich das „Ottava Nota“, beides absolut empfehlenswerte Adressen.
Der Concierge in meinem Hotel hatte mir das Restaurant „Gagini“ im Stadtteil „La Kalsa“ empfohlen und einen Tisch reserviert. Das arabische Viertel hatte früher nicht den besten Ruf, heute gibt es viele stylische Bars und Restaurants, in denen meist junges Publikum die Szene bestimmt.
Bis in die Nacht hinein spielt sich das Leben in den engen Gassen, auf den Plätzen und am nahe gelegenen Hafen ab. Man kann sich heute sicher fühlen, was vor einigen Jahren nicht immer der Fall war. Monumentale Paläste, Kirchen und Kathedralen zeugen vom Glanz vergangener Jahrhunderte. Doch die desolaten Gebäude und Palazzi haben auch heute noch ihren morbiden Charme. Woher soll das Geld für die Renovation ganzer Stadtteile auch kommen? Sizilien ist immer noch das Armenhaus Italiens, die Arbeitslosigkeit liegt bei über 20 Prozent, vor allem die Jugend hat wenig Perspektiven für die Zukunft.
Gagini – Slow food par excellence
Doch von grauer Tristesse ist zumindest in der Via Vittorio Emanuele nichts zu spüren, wenn man die gut besuchten Cafés, Bars und Restaurants beobachtet. Auch das von mir avisierte „Gagini“ war ausgebucht, aber in einer gemütlichen Ecke des rustikalen Gemäuers wartete ja mein reservierter Tisch auf mich. Ich war in freudiger Erwartung, und neugierig was das Besondere an diesem Restaurant ist.
Das Restaurant gehört zur internationalen Slow Food Organisation, quasi der Gegenpol zu Fast Food. Diese Bewegung fördert seit 1986 regionale und saisonale Produkte und möchte dem Essen wieder seine Würde zurück geben. Und – das „Gagini“ ist auch Mitglied im Führer „Le Soste di Ulisse“ – in dem die besten Restaurants Italiens und im restlichen Europa zu finden sind.
Das 6-Gänge-Menü für 85 Euro begeisterte mich schon beim Lesen und war im Resümee jeden Euro wert: Marinierter Tintenfisch mit bissfest gegartem Spargel und Meeresalgen-Puder, glasierter Oktopus mit Kichererbsenchips, Lasagne mit Kalbsragout und Caciocavallo Käse, früher vielleicht einmal aus Stutenmilch hergestellt, heute wird er aus Kuh- oder Schafsmilch produziert. Die Gelbschwanz-Makrele mit Brotcroutons, Gemüsen und Minze würde ich auch in einem Sterne-Restaurant durchgehen lassen, die absolut frischen Meeresfrüchte suhlen sich auf einem Risotto von Dinkel, Buchweizen und Mais (Broken weat).
Die Weinauswahl überlasse ich der kompetenten und herzlichen Sommelière Julia. Sie führt mich in eine mir unbekannte sizilianische Weinwelt, hat aber auch die großen Gewächse aus Österreich auf der Karte. Anscheinend lieben die Palermitaner auch den Grünen Veltliner aus dem Kamptal von Schloss Gobelsburg. Der exzellente Wein ist mit 38 Euro sehr gastfreundlich kalkuliert.
Das „A’Cuncuma“ zählt zu den Besten
Zu den besten Restaurants in Palermo gehört auch das „A’Cuncuma“ in der historischen Altstadt, ganz in der Nähe der Kathedrale. Das Restaurant ist einfach möbliert und in schlichtem Weiß gehalten.
Farbige Akzente setzen die rustikalen Teller in blau, grau und gelb, sowie einige abstrakte Acryl-Gemälde heimischer Künstler. Natürlich komme ich nicht am 6-Gänge-Menü „Durch die Gassen von Palermo“ vorbei, um einen Eindruck der Küche zu bekommen: Safran-Reis-Kroketten, mit dem schon erwähnten Caciavallo-Käse gefüllt, getoppt mit rohen Scampi; Fusilloni mit Pistazien-Pesto und Thunfisch-Rogen, den Klassiker Pasta con le Sarde, Spaghetti mit Sardinen, Kapern, Fenchel und Pinienkernen.
Köstlich der St. Petersfisch mit roter Knoblauch-Emulsion und Mandelcreme, delikat die Rotbarbe mit eingeweichtem Brot, Zwiebeln, Rosinen, Garnelen und Orangencreme, Schweinebauch mit Aprikosen-Marmelade…. Fast jedem Gericht verleihe ich das Prädikat kreativ oder innovativ – kulinarische Avantgarde.
Doch alle Rezepte haben bei genauer Analyse ihren historischen Ursprung – natürlich nach den heutigen Erkenntnissen der Kochkunst modifiziert. „Das kulinarische Paradies ist ein Dreieck und es heißt Sizilien. Die Einflüsse der Phönizier, der Griechen, der Karthager, der Araber, der Spanier und der Normannen ergeben ein wunderbares Mosaik – die Küche von Sizilien“. So steht es auf der ersten Seite der Speisekarte des A’Cuncuma.
Der guten Ordnung halber möchte ich noch das „Bye Bye Blues“ in Mondello, etwas außerhalb von Palermo erwähnen. Hier hat eine Frau das Sagen: Küchenchefin Patrizia di Benedetto wird hoch gelobt, doch mein enger Zeitplan – und meine kulinarische Kapazität – versagten mir das preiswerte 5-Gänge-Menü für 75 Euro.
Restaurant A’Cuncuma
Via Judica 21/23
90134 Palermo
Telefon 0039 091 887 2991
Gagini – Social Restaurant
Via Cassari 35
90133 Palermo
Telefon 0030 091 58 99 18
Restaurant Bye Bye Blues
Via del Garofalo 23
90149 Palermo
Telefon 0039 091 684 14 15