Wer dem nasskalten und grauen Winter in Deutschland in die Sonne entfliehen will, tut sich mit der Auswahl eines adäquaten Reiseziels 2020/21 schwer. Für die meisten Länder in denen auch von Dezember bis März die Sonne scheint, hat die Bundesregierung eine Reisewarnung ausgesprochen, und es besteht nach der Rückreise eine Quarantänepflicht. Die gesamte Reisebranche ist durch Covid-19 am Boden, Corona bestimmt die Reiseziele. Eine sichere Destination in der Sonne sind die Kanarischen Inseln. Sie gelten nicht als Corona-Risikogebiet. Doch für die Einreise nach Gran Canaria ist seit dem 23. November ein negativer Corona-PCR-Test erforderlich der nicht älter als 72 Stunden sein darf. Auch in den Hotels wird der Test verlangt. Man kann sich sicherer fühlen als in Deutschland. Die aktuelle 7-Tage-Inzidenz in den letzten sieben Tagen: 44,63 Infizierte je 100 000 Einwohner (Stand 8. 12. 2020). Das spanische Einreiseformular „Spain Travel Health-Portal“ gilt auch für die Kanaren. 2019 verbrachten 2,65 Millionen deutsche Touristen ihren Urlaub auf einer Kanarischen Insel. Die Zahlen für 2020 liegen noch nicht vor, aber viele Hotels werden Insolvenz anmelden müssen. 80 Prozent der Hotels auf Gran Canaria hatten im November 2020 geschlossen.
Doch warum „Eine Liebe auf den zweiten Blick“? Ich sitze am 8. November im ausgebuchten Airbus 320 der Airline Eurowings Flugnummer EW 9542, und die Maschine ist im Anflug auf den Flughafen von Las Palmas. Der Himmel ist grau und wolkenverhangen, die Einflugschneise führt vorbei an kargen, von dunkler Lava geprägten Bergen und Feldern. Industriegebiete, Shopping Malls, Hotelkomplexe und Bettenburgen, Windparks und grausilbrig schimmernde Plastikfolien-Landschaften prägen das Bild. Auf der Fahrt in unser Hotel Bahia Feliz in der Nähe von San Agustin kommen wir vorbei an verrotteten Gewächshäusern unter denen einmal Tomaten und Gemüse angebaut wurden. Heute flattern zwischen Arinaga und Castillo del Romeral im Südosten der Insel die Plastikfolien im Wind, die ehemaligen Plantagen verkommen zur illegalen Müllkippe. Wie ich später erfahre gibt es aktuell Pläne zur Beseitigung dieser „Visitenkarte“ der Insel. Eine Riesen-Aufgabe, immerhin warten etwa 1000 Hektar Fläche auf eine Flurbereinigung.
Ich habe ein Zimmer im TUI Blue Hotel Orquidea in der Ferienanlage Bahia Feliz gebucht, ein 4-Sterne-Hotel, das von einem deutschen Unternehmen gebaut, und 1984 eröffnet wurde.
Am nächsten Morgen strahlt die Sonne, als wolle sie mich erinnern, dass sie an über 300 Tagen im Jahr das Leben auf der Insel bestimmt. Der grandiose Ausblick von meiner Terrasse über den Pool, den Palmengarten und auf das glitzernde Meer versöhnen mich wieder mit der Welt. Und die Sonne hält sich an die Wetter-Vorhersagen. Das Thermometer bewegt sich immer im Bereich zwischen 20 und 28 Grad. Ich zögere nicht und verlängere meinen Aufenthalt auf letztendlich drei Wochen. Das Hotelrestaurant gehört nicht zu meinen bevorzugten Adressen, also beginnen wir schon mittags mit dem Restaurant-Hopping. Ich bin unterwegs mit Peter Julius (Präsident Deutsche Tafelkultur) und Clemens Maas (Deutsche Bank).
Die Küche von Gran Canaria ist einfach, eher rustikal-bäuerlich als kreativ-raffiniert. Auf fast allen Speisekarten stehen Schinken der Qualitäten Serrano bis zum teuren Pata Negra Bellota. Pimientos de Padrón (kleine noch unreife Paprikaschoten), Kroketten mit Fleisch- oder Fischfüllung, Tortillas und Paellas mit Meeresfrüchten oder Hühnchen, Pulpo und Langostinos, Calamares a la Romana (frittierte Tintenfischringe), Miesmuscheln, Venus- und Herzmuscheln, Fische vom Grill (Wrackbarsch, Wolfsbarsch, Zahnbrasse) oder als Zarzuela (Fischpfanne). Natürlich kommt nur bestes Fleisch vom Schwein und Rind auf den Tisch, aber auch Kaninchen und Zicklein finden ihre Liebhaber. Als Dessert werden Mandel- und Marzipangebäck angeboten. Ich habe mich mit dem Klassiker der Insel angefreundet, der Mousse de Gofio. Fast ein Grundnahrungsmittel sind kleine Kartoffeln, die „Papas arrugadas“ (Runzelkartoffel). Sie werden mit sehr salzigem Wasser, am besten mit Meerwasser, gekocht und mit „Mojo verde“ oder „Mojo rojo“ serviert.
Das Restaurant „El Velero“, (Casa Antonio) in Maspalomas war eine unserer meist frequentierten Adressen. Die Plätze am Fenster sind begehrt, der Strand mit seinen mehr oder weniger schönen Menschen bietet etwas für die Augen und sorgt für Gesprächsstoff am Tisch. Ein Tattoo, die Haare im Gesicht oder auf dem Kopf – ja oder nein? Oder würde uns ein rosa Muscle-shirt auch stehen, oder doch lieber in quitschgrün? Wir entscheiden uns dagegen und bestellen eine zweite Flasche Wein und Miesmuscheln ohne Bart in Knoblauch- Weißweinsauce. Auch die frischen Sardinen schmecken köstlich, auch wenn der Genuss mit akribischer Arbeit verbunden ist.
Die „Puntillas de Calamar, kleine frittierte Tintenfischchen, passen perfekt zum Wein, der mit gastfreundlich kalkulierten 16,50 Euro auf der Rechnung steht. Der Service ist freundlich und präsent, wenn Muschelschalen, Langusten-Karkassen oder abgefieselte Fischskelette und Gräten den Tellerrand überborden. Doch bevor wir uns wieder in Richtung Bahia Feliz bewegen machen wir auch dem Leuchtturm „El Faro“ und den Dünen unsere Aufwartung. Sie sind ein echter Grund Maspalomas zu besuchen. Sand wie in der Sahara die nur etwa 1000 Kilometer entfernt ist und sich auf dem gleichen Breitengrad im Osten befindet.
Mein Lieblingsrestaurant in Maspalomas ist das „Ibercos J. Cruz“ im Ortsteil San Fernando. In der unscheinbaren Weinbar fühlt man sich sofort wohl, für die kleine Terrasse sollte man einen Tisch reservieren. Der junge Küchenchef bringt Klassisches und Neues auf den Tisch: Zarte Baby-Calamare auf karamellisierten Zwiebeln, Schweinefilet mit einer reduzierten Zwiebel-Pedro Ximenez-Sauce (süßer Sherry), Miesmuscheln mit Kartoffelchips, geräucherte Sardinen mit Käsesahne. Der Pata Negra Schinken ist exzellent, Carmen, die junge Frau des Küchenchefs versprüht Kompetenz und Lebensfreude. Der schönste Ort der Insel ist, nicht nur nach meinem Geschmack, Puerto de Mogan.
Der kleine Hafenort mit seinen gepflegten Häuserfassaden ist Balsam für die Augen nach den hässlichen Shopping-Centern, den Hoteltürmen und Bettenburgen in Maspalomas und Playa del Ingles. Das Restaurant Sol y Luna soll angeblich die beste Adresse sein, leider hatte es wegen Umbau geschlossen. Begeistert waren wir im Restaurant des Hotels Puerto de Mogán The Senses Collection. Bestechende Lage mit Blick auf die Berge und den Atlantik. Die Adresse für meinen nächsten Besuch auf der Insel. Ganz anders das Restaurant „La Farola“ in Arinaga. Das Restaurant liegt in einem Industriegebiet direkt am Meer, nur wenige Kilometer vom Flughafen entfernt. Wir sitzen auf der Terrasse, erleben einen spektakulären Sonnenuntergang und freuen uns auf die ausgezeichnete Küche. Und es wurde ein fulminantes Dinner.
Hummer, Langusten, und Muscheln in bester Qualität und Frische die ich so auf der Insel noch nicht auf dem Teller hatte. Hervorragende Weine, meine Favoriten kamen vorzugsweise von der Nachbarinsel Lanzarote, aber auch die Roten aus Navarra und aus dem Ribera del Duero brachten für kleines Geld großen Trinkgenuss (mehr über die Weine der Kanaren im zweiten Teil meiner Reise).
Einen Ausflug in die Hauptstadt sollte man auf jeden Fall einplanen. Las Palmas hat etwa 380 000 Einwohner und ist damit die größte Stadt der kanarischen Inseln. Die Altstadt, die Viertel Vegueta und Triana mit ihren engen Gassen, den Vinotheken und Bistros, dem Mercado de la Vegueta und den Prachtbauten aus der Kolonialzeit rund um die Kathedrale Santa Ana erinnert an die feudale Vergangenheit der Stadt. Das aktuelle Leben aber findet auf dem Paseo las Canteras und am Strand von Las Canteras statt. An der Plaza de La Puntilla befindet sich das „La Marinera“ am oberen Ende des Strandes.
Von hier aus hat man den Blick über den fünf Kilometer langen Paseo und den Strand. Die Corona- Sicherheitsbestimmungen werden hier peinlich genau eingehalten: Fiebermessen, Hände desinfizieren, nur in Begleitung eines Kellners wird der Tisch zugewiesen. Die Tischdecke wird nach jedem Gast gewechselt, die Teller, Servietten und Besteck sind eingeschweißt. Die Maske darf erst abgenommen werden, wenn der Wein, oder das Essen serviert wird. Auf der Speisekarte das bekannte Programm, hier aber bekommen wir Prachtexemplare von Miesmuscheln, die besten Langostinos und die beste Paella – den Blick auf die stürmische Brandung und mutige Surfer inklusive.
Wie komme ich auf die Insel?
Jens Bischoff, CEO der Fluggesellschaft Eurowings: „Seit die Kanarischen Inseln nicht mehr Risikogebiet sind, haben wir, wie auch die Lufthansa, unsere Frequenz erhöht. Wir fliegen zur Zeit 25 Mal pro Woche von Deutschland auf die Kanaren. Vor und nach Weihnachten werden wir aufgrund der starken Nachfrage 45 Mal pro Woche auf die Kanaren und natürlich auch wieder zurück fliegen“:
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